- von Tom Sims und John O'Donnell
Frankfurt (Reuters) - Deutsche Banken laufen gegen eine drohende Verschärfung der US-Sanktionen gegen Russland Sturm.
Nachdem die Demokraten Anfang Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernommen haben, ist die Wahrscheinlichkeit neuer Strafmaßnahmen gestiegen. Die drohenden Sanktionen, die sich gegen russische Geldhäuser richten sollen, könnten die weltweiten Finanzmärkte in Mitleidenschaft ziehen, argumentierte der Bundesverband deutscher Banken (BdB) in einem Papier von Anfang Dezember, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. "Die vorgeschlagenen Gesetze würde nicht mehr nur den russischen Präsidenten und Oligarchen mit engen Beziehungen zu Putin treffen, sondern würde de facto ein Embargo gegen die Russische Föderation verhängen", hieß es in dem Dokument.
Zwar scheinen sich die Bankvertreter darauf einzustellen, dass die USA neue Sanktionen verhängen werden. Sie argumentieren jedoch, dass es Ausnahmen geben sollte, damit deutsche Banken und Unternehmen Geschäfte zum Abschluss bringen können, die nicht einfach rückgängig gemacht werden können. Durch neue Sanktionen könnte auf internationale Finanzinstitute, die bereits in Russland tätig sind, massive Schwierigkeiten für das Geschäft und bei der Einhaltung der Regeln (Compliance) zukommen, warnte der BdB. Betroffen wären demnach nicht nur europäische Geldhäuser wie die Deutsche Bank (DE:DBKGn) oder Unicredit (MI:CRDI), sondern auch US-Großbanken wie Goldman Sachs (NYSE:GS), Bank of America (NYSE:BAC), oder JP Morgan.
Banken und Unternehmen fürchten, zum Opfer der "America First"-Politik von US-Präsident Donald Trump zu werden. Vor allem die Ostsee-Pipeline Nordstream sorgt für Spannungen. Der US-Botschafter in Berlin, Richard A. Grenell, hatte jüngst in Schreiben an deutsche Unternehmen vor einem "erheblichen Sanktionsrisiko" für diejenigen gewarnt, die am Bau der russischen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind.
Die vom russischen Energieriesen Gazprom (MCX:GAZP) kontrollierte Projektgesellschaft Nord Stream 2 will sich rund sechs Milliarden Euro zur Finanzierung besorgen, sagte Finanzchef Paul Corcoran laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tass. Man führe dazu Gespräche mit Exportkreditagenturen. Bevor sich Banken an der Finanzierung beteiligten, bräuchten sie Zusagen, dass sie damit nicht gegen US-Sanktionen verstoßen.
US-SENATOREN ARBEITEN AN NEUEN SANKTIONEN
Der republikanische Senator Lindsey Graham (NYSE:GHC) hat bereits im August einen Gesetzentwurf eingebracht, der Sanktionen gegen die großen russischen Banken und den Energiesektor des Landes vorsieht. Der Gesetzentwurf namens "Defending American Security from Kremlin Aggression Act" (DASKAA) wurde in der letzten Legislaturperiode nicht verabschiedet. Doch er könnte schnell wiederbelebt werden.
Auch der demokratische Senator Chris Van Hollen sagte, er wolle demnächst einen neuen Gesetzentwurf zu Russland-Sanktionen einbringen. Er solle so weit wie möglich so ausgestaltet sein, dass europäische Banken und andere nicht in Mitleidenschaft gezogen würden, sagte van Hollen der Nachrichtenagentur Reuters. "Allerdings wird es immer einige Auswirkungen auf europäische Banken geben", sagte er mit Blick auf die bestehenden Geschäftsbeziehungen zwischen ihnen und Russland. Van Hollen hatte erst am Donnerstag für Aufmerksamkeit gesorgt, als er und seine Parteikollegin Elizabeth Warren umfassende Ermittlungen gegen die Deutsche Bank sowie eine öffentliche Anhörung im Bankenausschuss des Senats wegen ihrer möglichen Verstrickung in Geldwäscheaktivitäten forderte.
INTENSIVE LOBBY-ARBEIT
Bank-Lobbyisten haben ihr Werben hinter den Kulissen intensiviert. Commerzbank-Chef Martin Zielke sei vor wenigen Monaten nach Washington gereist und habe vor einem zu scharfen Vorgehen gewarnt, sagten zwei Insider in der US-Hauptstadt. Die Commerzbank (DE:CBKG) lehnte eine Stellungnahme ab. Im Rahmen des jährlichen Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank dürften Branchenvertreter erneut die Gelegenheit nutzen, mit US-Regierungsvertretern und Abgeordneten zu reden, um sie von ihrem Standpunkt zu überzeugen.
Für deutsche Banken steht in Russland viel auf dem Spiel - auch wegen der vergleichsweise umfangreichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Russland ist einer der wichtigsten Energielieferanten Deutschlands. Nach der Verhängung von Sanktionen durch die USA und die Europäische Union wegen der russischen Annexion der Krim ist der Handel zwischen Deutschland und Russland eingebrochen. Dennoch belief sich das deutsch-russische Handelsvolumen in den ersten elf Monaten 2018 auf 57 Milliarden Euro - mehr als das Handelsvolumen mit Japan und Kanada zusammengerechnet. Deutsche Kreditinstitute hatten im dritten Quartal 2018 Forderungen gegenüber Russland in Höhe von fast sieben Milliarden Dollar - weniger als ein Drittel als die 22,5 Milliarden fünf Jahre zuvor, wie aus Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervorgeht.