- von Markus Wacket
Berlin (Reuters) - Als Deutschland nach der Fukushima-Katastrophe den Atomausstieg bis 2022 beschloss, warnten Netzbetreiber vor der Gefahr eines großflächigen Stromausfalls.
Der drohende Blackout schwebt nun auch wieder über der Debatte um den Ausstieg aus der Kohle, für den zum Klimaschutz in den nächsten Monaten eine Jahreszahl gefunden werden soll. Die Kohlekommission der Regierung hatte sich dafür eine Reihe von Experten geladen, deren Meinungen allerdings weit auseinandergehen. In Unterlagen für das Treffen am Mittwoch, die Reuters vorliegen, warnen die einen, auf Stromimporte aus dem Ausland zu setzen sei fahrlässig. Auf der anderen Seite heißt es, dies sei bis 2030 selbst bei Verzicht auf den Großteil der Kohlemeiler allenfalls in geringem Umfang nötig und unproblematisch. Klar aber ist allen, Gas-Kraftwerke werden künftig eine größere Rolle spielen müssen.
Neben dem Klimaschutz und dem Preis des Stroms ist die Versorgungssicherheit der dritte Aspekt, den alle Bundesregierungen in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt gestellt haben. Für ein Industrieland seien dabei selbst kurzfristige Stromausfälle nicht hinzunehmen. Und Kritiker der Erneuerbaren Energien verweisen immer wieder darauf, dass bei Dunkelheit und Windstille ("Dunkelflaute") auf die insgesamt wachsende Produktion aus Solar- oder Windkraftwerken kein Verlass sei. Dazu kommt, dass der Leitungsbau von Nord nach Süd für den Windstrom nur langsam vorankommt. Kohlekraftwerke erzeugen immer noch gut ein Drittel des Stroms in Deutschland.
AMPRION: HILFE AUS NACHBARLÄNDERN NICHT REALISTISCH
Der Stromnetzbetreiber Amprion, an dem auch der Kohlekonzern RWE (DE:RWEG) beteiligt ist, warnt in seinem Papier für die Kommission vor einem vorschnellen Abschalten ohne ausreichende Reserven. Extremwetter etwa im Winter, wenn besonders viel Strom gebraucht wird, träten häufig über Deutschland hinaus auf. "Sichere Hilfe von den Nachbarn ist daher ebenfalls nicht realistisch." Amprion schlägt daher vor, für solche Zeitpunkte Kohlekraftwerke in betriebsbereiter Reserve zu halten. Dies sei auch nötig, weil Gaskraftwerke, die die Lücke füllen könnten, unter den derzeitigen Marktbedingungen nicht gebaut würden.
Ähnlich hatte bereits der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) argumentiert, der ebenfalls darauf verwies, dass ohne neue Gaskraftwerke der Kohle-Ausstieg nicht machbar sein werde. Gaskraftwerke stoßen nur etwa halb so viel klimaschädliches CO2 aus und können sehr flexibel hoch- und heruntergefahren werden. Neubauten gelten bei den derzeitigen Strompreisen jedoch ohne Subventionen als nicht wirtschaftlich.
Deutlich anders sieht das eine Studie der Beratungsfirma Consentec unter Mitarbeit unter anderem des Fraunhofer-Instituts. Zum einen wird darauf verwiesen, dass Deutschland derzeit im großen Stil Strom exportiere, es also einen Überschuss gerade an Kohlestrom gebe. Vor dem Hintergrund, dass die Atomkraftwerke bis 2022 abgeschaltet werden, könnten zudem die Strompreise steigen und Gaskraftwerke rentabler werden. Vor allem aber werde das Stromsystem insgesamt flexibler, etwa was Speicher betreffe.
Zudem könne in Extremsituationen auch das Abschalten einzelner Verbraucher volkswirtschaftlich sinnvoll sein. "In allen hier untersuchten Szenarien bis 2030, das heißt auch bei deutlicher Reduktion von Kohlekraftwerkskapazitäten, ist die Versorgungssicherheit gewährleistet", heißt es dort. Importe aus Nachbarländern seien nur in geringem Umfang nötig und auch möglich.