ESSEN (dpa-AFX) - Der Spezialchemiekonzern Evonik (XETRA:EVKn) blickt trotz eines kräftigen Umsatz- und Gewinnschwunds im zweiten Quartal etwas optimistischer auf das laufende Jahr. "Wir sind jetzt zuversichtlich, für das Gesamtjahr ein bereinigtes Ebitda in der oberen Hälfte der gegebenen Bandbreite von 2,0 bis 2,2 Milliarden Euro erwirtschaften zu können", sagte Konzernchef Klaus Engel am Freitag bei der Zahlenvorlage in Essen. Damit soll der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) nach 2,5 Milliarden Euro im Vorjahr nicht ganz so stark sinken.
Seine Prognose für den Umsatz behielt Engel bei: Dieser dürfte wegen niedrigerer Preise leicht zurückgehen. Eine starke Nachfrage nach Tierfuttereiweiß und hohe Preise hatten den Umsatz im Vorjahr auf 13,5 Milliarden Euro getrieben.
"In einem weiterhin anspruchsvollen Umfeld konnten wir unseren Absatz steigern", sagte Engel. Dies gelte für alle drei Chemiesegmente. Doch niedrigere Preise bei Kernprodukten belasteten den MDax-Konzern (MDAX) auch im zweiten Quartal stark. Der Umsatz ging im Jahresvergleich um 7 Prozent auf 3,26 Milliarden Euro zurück. Grund waren auch Preiszugeständnisse an Kunden im Zuge des Ölpreisverfalls. Das Geschäft mit Tierfuttereiweiß litt weiter unter niedrigeren Preisen. Insgesamt sank das bereinigte Ebitda um 11 Prozent auf 585 Millionen Euro. Unter dem Strich verdiente Evonik 165 Millionen Euro und damit 61 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Damals hatte der Konzern aber von dem Verkauf seiner verbliebenen Vivawest-Beteiligung profitiert.
Mit seinen Kennzahlen übertraf Evonik die Erwartungen der Analysten. Am Finanzmarkt war die Reaktion entsprechend positiv. Der Kurs der Evonik-Aktien legte am Vormittag um 3,52 Prozent zu. Die Titel waren damit einer der besten Werte im MDax. DZ-Bank-Analyst Peter Spengler und Commerzbank-Expete Lutz Grüten zeigten sich insgesamt positiv überrascht. Insbesondere die Chemieaktivitäten und Spezialitäten hätten deutlich besser abgeschnitten als erwartet, erklärte Spengler. Evonik habe dabei von niedrigeren Rohstoffkosten und einem besseren Produktmix profitiert.
Trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds mit Brexit und Türkei-Putsch rechnet Evonik dank starker Marktpositionen im laufenden Jahr weiter mit einer hohen Nachfrage nach seinen Produkten und einer spürbaren Steigerung der Absatzmengen. Der Brexit habe die konjunkturellen Risiken erhöht, sagte Engel. Das Wirtschaftswachstum in Großbritannien und Europa dürfte deshalb etwas niedriger ausfallen. Auch in den Schwellenländern dürfte die Wachstumsschwäche anhalten.
Im Geschäft mit Tierfuttereiweiß und bei ölpreisbasierten Produkten erwartet der Vorstand einen deutlichen Preisverfall. Niedrigere Kosten im Zuge des Ölpreisrückgangs muss der Konzern im Chemiegeschäft oft auch an seine Kunden weiterreichen. Das Geschäft mit Saugstoffen etwa für Windeln litt unter einem verstärkten Wettbewerb und Preisdruck.
Evonik ist Weltmarktführer für das Tierfuttereiweiß Methionin, das in der Mast verwendet wird, und zog in den vergangenen Jahren Gewinn aus dem weltweit wachsenden Fleischverbrauch. Dies hatte dem Konzern im Vorjahr glänzende Geschäfte beschert. Entsprechend hoch ist nun die Vergleichsbasis. Der Umsatz ging im Segment Nutrition & Care im zweiten Quartal insgesamt um 11 Prozent zurück, und das operative Ergebnis sackte um 31 Prozent ab. Evonik rechnet bei Methionin in der zweiten Jahreshälfte mit einer Stabilisierung der Preise. Die Kunden verlangten längere Vertragslaufzeiten, hieß es. Das Geschäft mit Saugstoffen dürfte aber noch längere Zeit unter Druck bleiben.
Zuletzt hatte Evonik sein Geschäft auch durch Zukäufe gestärkt. Für 3,8 Milliarden US-Dollar wollen die Essener etwa das Spezialadditiv-Geschäft des US-Konkurrenten Air Products schlucken. Bei der Übernahme sehen sich die Essener auf Kurs. Sie soll weiterhin bis Ende 2016 abgeschlossen werden. Trotz des Fusions- und Übernahmefiebers in der Branche hatte Evonik sein Pulver lange trocken gehalten. Evonik mit weltweit gut 33 500 Mitarbeitern gehört mehrheitlich der deutschen Steinkohlestiftung RAG. Diese muss aus ihren Einnahmen die Folgelasten des Steinkohlebergbaus finanzieren.