BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Mit der größten Übernahme in der Unternehmensgeschichte wird der Medizinkonzern Fresenius nun auch in Spanien zum Krankenhausbetreiber. Für 5,76 Milliarden Euro kauft das Unternehmen aus Bad Homburg den spanischen Krankenhausbetreiber Quirónsalud mit 43 Kliniken und 35 000 Mitarbeitern, wie Fresenius am späten Montagabend mitteilte. Quirónsalud ist die größte private Klinikkette in Europa außerhalb Deutschlands. Fresenius erhofft sich in Spanien große Wachstumschancen. Fresenius-Aktien schossen am Dienstag auf Rekordniveau hoch.
Gut zwei Monate nach seinem Amtsantritt setzt der neue Vorstandsvorsitzende Stephan Sturm mit der Übernahme das erste große Ausrufezeichen. Er hatte im Juli die Nachfolge von Ulf Schneider übernommen, der zu Nestle (XETRA:NESN) (VTX:NESN) wechselt. Der bis jetzt größte Zukauf der Bad Homburger war 2008 die Übernahme des US-Unternehmens APP Pharmaceuticals, mit dem sich Fresenius Zugang zum US-Generika-Markt verschaffte.
ÜBERNAHME ÜBERRASCHT
Die Übernahme in Spanien hatte zuvor kaum jemand auf dem Zettel. Zu seinen Übernahmeabsichten lässt sich das Unternehmen nie in die Karten blicken. Im Februar hatte Schneider aber noch eine vage Hoffnung auf bevorstehende Deals gegeben: "Wir haben immer noch den gleichen Hunger", hatte er mit Blick auf Zukäufe gesagt.
Die Übernahme durch die Klinik-Tochter Fresenius Helios soll vom kommenden Jahr an positiv zum Ergebnis beitragen. Fresenius erwartet einen zusätzlichen Beitrag von 520 bis 550 Millionen Euro zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Mittelfristig sollen mit dem neuen Verbund jährliche Synergieeffekte von 50 Millionen Euro erzielt werden. Die mittelfristige Prognose will Fresenius mit der Vorlage der Geschäftszahlen für 2016 erneuern.
AKTIE AUF REKORDKURS
Fresenius-Aktien stiegen am Dienstag auf Rekordniveau. Am Vormittag kosteten die Titel zeitweise 70 Euro, das war ein Plus von 5,8 Prozent. "Wir bewerten die Übernahme als positiv und bestätigen unsere Kaufempfehlung", schrieb etwa Analyst Sven Kürten von der DZ Bank in einer Analyse. Schub gab den Aktien zudem eine Studie der US-Bank Citigroup (NYSE:C) (XETRA:TRVC), in der Analyst Patrick Wood das Wachstumspotenzial von Fresenius aus eigener Kraft lobt. Er verwies unter anderem auf die Stärke der Flüssigmedizinsparte Kabi.
Verkäufer der Klinikkette, die Fresenius komplett übernehmen will, sind die Beteiligungsgesellschaft CVC Capital Partners, der Mitgründer und Vorsitzende der Geschäftsführung von Quirónsalud, Victor Madera, sowie weitere Mitglieder der Geschäftsführung. Die Übernahme soll bis zum vierten Quartal dieses Jahres über die Bühne gehen oder spätestens im ersten Quartal kommenden Jahres. Die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden steht noch aus.
VERSCHULDUNG STEIGT
Zur Finanzierung der Übernahme nimmt Fresenius Fremdkapital auf. Dadurch werden die Verbindlichkeiten vorübergehend gut dreimal höher als der operative Gewinn liegen. Mitte kommenden Jahres soll der Verschuldungsgrad aber wieder im Zielkorridor von 2,5 bis 3,0 liegen. Madera erhält zudem gut sechs Millionen Aktien im Gesamtwert 400 Millionen Euro.
Quirónsalud arbeitet profitabel, der Umsatz stieg in den vergangenen fünf Jahren aus eigener Kraft um jeweils mehr als fünf Prozent. Fresenius erhofft sich von dem Geschäft weitere Wachstumschancen. In Spanien ist die Konsolidierung auf dem Krankenhausmarkt noch nicht so weit fortgeschritten wie in Deutschland. Während in Deutschland die fünf größten Betreiber 93 Prozent der privaten Kliniken besitzen, sind es in Spanien 25 Prozent. Außerdem schätzt Fresenius den medizinische Bedarf in Spanien so ein, dass weitere Neugründungen und Erweiterungen von bestehenden Krankenhäusern möglich sind.