- von Ilona Wissenbach
Wiesbaden (Reuters) - Nach Stuttgart und Aachen wird jetzt auch Frankfurt per Gerichtsurteil zum Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge gezwungen.
Damit die seit 2010 überschrittenen Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) bald eingehalten werden, sollen ab Februar 2019 Dieselautos der Norm Euro 4 und älter aus dem Stadtgebiet ausgesperrt werden, urteilte das Verwaltungsgericht Wiesbaden am Mittwoch. Der vom Land Hessen zu aktualisierende Luftreinhalteplan müsse auch ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge der Norm Euro 5 ab September nächsten Jahres vorsehen. "Das Fahrverbot ist notwendig, weil alle übrigen vom Land in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht zu einer wirksamen Reduzierung der Stickstoffdioxid-Emissionen in angemessener Zeit führen", erklärte Verwaltungsrichter Rolf Hartmann.
Betroffen sind etwa ein Viertel der in Frankfurt registrierten Autos und zahllose Pendler oder Besucher aus dem Umland. Das Gericht ordnete außerdem weitere Maßnahmen an, durch welche die Luft sauberer werden soll. So sollen Elektrobusse für den öffentlichen Nahverkehr angeschafft werden, die Parkgebühren in der Mainmetropole steigen und am Stadtrand mehr kostenlose Park&Ride-Plätze geschaffen werden.
Die Umweltlobby "Deutsche Umwelthilfe" hat sich damit dank des höchstrichterlichen Spruchs des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom Februar zu Fahrverboten erneut durchgesetzt. "Mit der Entscheidung von Wiesbaden steigen wir in die Verkehrswende ein", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse sich jetzt gegen die Autoindustrie und für die Bürger entscheiden und eine Hardware-Nachrüstung von Dieselautos auf Kosten der Hersteller beschließen. Dann wäre es noch möglich, Fahrverbote für die bis vor drei Jahren verkauften Euro-5-Diesel zu vermeiden.
Die Stadt Frankfurt zeigte sich enttäuscht. "Die Bürger und die Städte haben jetzt die Versäumnisse der Automobilindustrie, aber auch der Bundesregierung auszubaden", sagte Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD). Das Land Hessen müsse jetzt Konsequenzen aus dem Urteil ziehen. "Wir erwarten hier auch eine finanzielle Unterstützung der Landesregierung und der Bundesregierung, was bestimmte Maßnahmen angeht." Er verwies darauf, dass die Landesregierung in Baden-Württemberg wegen der Fahrverbote in Stuttgart im Rahmen des Luftreinhalteplans mehr als 300 Millionen Euro bereitgestellt habe.
STADT FÜR STADT MIT DIESEL-BANN
Die DUH klagt in insgesamt 28 Städten in Deutschland auf die Einhaltung des seit 2010 geltenden Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Auf Druck der Klagen der DUH hin und wegen eines laufenden Strafverfahrens der Europäischen Union sind immer mehr Kommunen zu Diesel-Fahrverboten gezwungen und arbeiten auch an alternativen Maßnahmen, um die Luft sauberer zu machen. Hamburg hatte im Frühjahr als erste Großstadt freiwillig Fahrverbote auf einzelnen Strecken eingeführt, nachdem das Bundesverwaltungsgericht den Weg dafür freigemacht hatte.
Stickoxid kann Atemwegs-, Herz- und Kreislauferkrankungen und sogar Diabetes mit verursachen und zu vorzeitigen Todesfällen führen. In Frankfurt liege der Durchschnitt von NO2 derzeit etwas über 50 Mikrogramm, erklärte der Richter. "Wir sollten begreifen, dass es hier um die Gefährdung der Gesundheit von uns allen geht", sagte Hartmann weiter. Die Klage sei daher nicht ein "Hobby einer Umweltvereinigung", sondern jeder betroffene Innenstadtbewohner könne sein Recht geltend machen.
Der erneute Erfolg der Umweltschützer erhöht den Druck auf die Bundesregierung, eine Hardware-Nachrüstung von Dieselautos in Betracht zu ziehen. Die Autoindustrie wehrt sich dagegen, weil dies etliche Milliarden Euro kosten würde. Doch anders als die freiwillig von Volkswagen (DE:VOWG), Audi oder Mercedes angebotenen Software-Updates für Millionen Selbstzünder kann eine technische Nachrüstung den NO2-Ausstoß um mehr als 70 Prozent senken.
Auch das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg will für ältere Diesel-Autos bis zur Schadstoffklassen Euro 4 in Stuttgart ein flächendeckendes permanentes Fahrverbot verhängen. Um einen Bann für Euro-5-Diesel ab September wird noch vor Gericht gestritten. Die Landesregierung will diesen nur einführen, wenn alle anderen Maßnahmen zur Luftreinhaltung nicht ausreichen. Als nächster großer Fall wird vor dem Verwaltungsgericht über Berlin verhandelt am 9. Oktober, sowie in Mainz (24. Oktober), Köln und Bonn (8. November).