- von Gernot Heller
Berlin (Reuters) - US-Präsident Donald Trump jagt der deutschen Wirtschaft Angst und Schrecken ein.
Die Befürchtungen, die er mit seiner Ankündigung auslöste, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen, sind vielschichtig. So besteht die Sorge, dass es zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche und andere nicht-amerikanische Unternehmen kommen könnte. Daneben befürchten deutsche Firmen- und Branchenvertreter aber auch eine Verschärfung der von ungewöhnlich vielen Unsicherheiten geprägten Lage der Weltwirtschaft. Zudem sorgt man sich, dass die Balance in der Weltwirtschaft ins Rutschen kommt und die Ausrichtung auf umweltfreundliche Technologien gebremst wird.
Die deutsche Wirtschaft ist mit ihren Ängsten nicht allein. Auch die Chefs vieler US-Unternehmen, darunter Apple (NASDAQ:AAPL), Facebook (NASDAQ:FB), Tesla und die Investmentbank Goldman Sachs (NYSE:GS), stellten sich unverhohlen gegen den Präsidenten. Es gibt aber auch Stimmen, die die Aufregung dämpfen. Trumps Nein zum Pariser Abkommen sei eine Ankündigung, nicht mehr, sagt der deutsche Außenhandelspräsident Anton Börner. Bis der Ausstieg der USA aus dem Klimavertrag umgesetzt werde, dauere es bis 2020: "Bis dahin kann noch viel passieren". Auch der Präsident des Automobilverbandes VDA, Matthias Wissmann, dessen Mitglieder zu den wichtigsten Anbietern auf dem US-Markt zählen, reagiert unaufgeregt und fordert "kühlen Kopf".
ANGST VOR WETTBEWERBSVERZERRUNGEN
Dass es Nachteile für die Produktionsbetriebe in Deutschland mit sich bringt, wenn US-Konkurrenten von teuren Umwelt- und Klimaschutz-Anstrengungen entlastet werden, liegt auf der Hand. DIHK-Präsident Eric Schweitzer erinnert: Wettbewerbsneutral, bleibe der Klimaschutz nur, wenn er in allen großen Staaten gemeinsam vorangetrieben werde. Kurzfristig allerdings geht von dieser Seite vermutlich wenig Gefahr für die deutschen Firmen aus, denn wirksam wird der Ausstieg der USA erst in Jahren. Ob Trump so lange im Amt sein wird, daran zweifelt so mancher.
SCHÄRFERE KLIMAZIELE
Eine zweite Angst der deutschen Unternehmen ist, dass ihnen als Ausgleich für ausbleibende Beiträge der US-Wirtschaft zur Schadstoffminderung schärfere Zielwerte auferlegt werden. Davor warnt nicht nur Schweitzer, sondern auch sein Kollege vom Industrieverband BDI, Dieter Kempf: "Es wäre falsch, nun die eigenen Reduktionssziele weiter zu verschärfen." Dies hat die Bundesregierung nach eigenem Bekunden allerdings nicht vor. Gleiches verneint sie mit Blick auf mögliche Beschränkungen für US-Firmen beim Zugang zum hiesigen Markt, wenn diese nicht nach den in Deutschland geltenden Kriterien klimagerecht produzieren.
UNSICHERHEIT UND INSTABILITÄT
Am heftigsten trifft die deutsche Wirtschaft akut, dass der US-Ausstieg die von Trump ohnehin ausgehenden Unsicherheiten für die US- und die Weltwirtschaft verschärft. BDI-Präsident Kempf meint: "Fehlende Verlässlichkeit und mangelnde Berechenbarkeit sind Gift für weltweit erforderliche Lösungen". Und auch die Maschinenbauer des Verbandes VDMA fürchten um die Planungssicherheit für die Unternehmen. In der Tat hat Trump bislang keinerlei Anlass für Hoffnungen gegeben, dass er berechenbarer wird. Wenn aber Unsicherheit über den Kurs der weltgrößte Volkswirtschaft besteht, strahlt das automatisch auf die Weltwirtschaft aus.
EIN SCHLAG GEGEN ENTWICKLUNG VON UMWELT-TECHNOLOGIEN
Was die Ausrichtung auf effiziente und klimaschutzgerechte Technologien angeht, könnten die Industrien in Deutschland und anderen Ländern sogar profitieren. "Die US-Regierung macht es der eigenen Wirtschaft sehr schwer, die mit dem Klimaschutz verbundenen geschäftlichen Potentiale zu heben", sagt der Chef des Energiewirtschaftsverbandes BDEW, Stefan Kapferer. Für Europa sei das die Chance, in diesen Technologien Weltmarktführer zu werden.