Dass der Zins das mit einer Anleihe verbundene Risiko nicht mehr angemessen widerspiegelt, ist an dieser Stelle schon oft zur Sprache gekommen. Diese für Anleger äußerst unangenehme Beobachtung gilt nicht allein für die Staatsanleihen. Zwar sind die niedrigen Zinsen nur deshalb gekommen, um die klammen staatlichen Schuldner vor dem Untergang zu retten, doch wenn die Flut den Wasserspiegel hebt, steigen alle Boote, die seetüchtigen wie die weniger seetüchtigen. Ebenso ist die Lage bei den niedrigen Zinsen. Von ihnen profitieren nicht nur überschuldete Länder und Gemeinden. Schwache Industrieunternehmen profitieren ebenso. Auch sie können sich an den Finanzmärkten derzeit günstig refinanzieren. In Europa ist das Niveau für Hochzinsanleihen mittlerweile noch günstiger als das in den USA. Berechtigt ist diese Zinsdifferenz nicht, denn gesünder und damit weniger ausfallgefährdet sind die europäischen Ramschanleihen nicht.
Mit den sogenannten Junk-Bonds konnten Investoren jahrelang eine höhere Rendite erzielen. Im Vergleich zu den sichereren Staatsanleihen wurde ein Zinsaufschlag gezahlt, der erstens attraktiv war und zweitens die Anleger für das höhere Ausfallrisiko der Anleihen entschädigte. Diese Zeiten sind inzwischen vorbei. Europäische Hochzinsanleihen weisen nur noch eine Rendite von 2,5 Prozent auf. Wer auf seinem Sparbuch nichts mehr für sein Geld bekommt, für den mögen 2,5 Prozent auf den ersten Blick eine attraktive Verzinsung sein. Doch der Schein trügt. High Yield Bonds sind eine Domäne der schwachen Unternehmen. Wer als Staat oder auch als privater Schuldner gut im Saft steht, bekommt günstigere Zinssätze und kann um das Segment der Hochzinsanleihen einen großen Bogen machen.
Der Anlagenotstand treibt die Anleger ins Risiko
In den USA werden Junk-Bonds derzeit mit einer Rendite von 5,6 Prozent gehandelt. Das sieht auf den ersten Blick nach einer deutlich besseren Verzinsung aus. Der Eindruck täuscht aber, denn da amerikanische Staatsanleihen derzeit eine Rendite von 2,3 Prozent abwerfen, fällt der Aufschlag der Hochzinsanleihen mit 3,3 Prozentpunkten auch nicht so hoch aus, dass der das Risiko rechtfertigen würde. Die Zinsdifferenz zwischen europäischen und amerikanischen Hochzinsanleihen ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. In Europa liegen die Ausfallquoten bei etwa 2,5 Prozent, in den USA werden etwas mehr Anleihen notleidend, etwa drei Prozent. Der Unterschied ist nicht so groß, dass er die aktuelle Renditedifferenz zwischen europäischen und amerikanischen Hochzinsanleihen rechtfertigen würde.
Investoren müssen, wenn sie das mit einer Anlage verbundene Risiko betrachten, immer davon ausgehen, dass das Geld im Zweifelsfall weg ist und nicht zurückgezahlt wird. Zwar liegt auch bei den Junk-Bonds die Verlustquote nicht unbedingt bei 100 Prozent, weil oftmals aus der Konkursmasse noch ein Teil der Ansprüche befriedigt werden kann. Doch selbst mit diesen Ansprüchen und mit den Zahlungen aus der Konkursmasse wird das Risiko nicht so gering, dass es die aktuellen Zinssätze rechtfertigt. Die Anleger sollten sich bei ihrer Anlageentscheidung auch nicht von den niedrigen Ausfallquoten täuschen lassen. Sie sind ebenfalls ein Produkt der niedrigen Zinsen. Läge das Zinsniveau höher, wären auch die Ausfallquoten deutlich höher, weil mehr Unternehmen Schwierigkeiten hätten, ihre Zinslasten zu stemmen.
Die trügerische Ruhe vor dem Sturm
Stark geschwankt haben die Kurse lange Zeit nicht. Auch am Rentenmarkt war die Volatilität niedrig und es schien, als gäbe es aus Sicht der Anleger kein Risiko zu fürchten. So angenehm diese Ruhe im ersten Moment ist, sollte sie sich als trügerisch herausstellen, werden die Hütten schnell brennen. Viele Anleger werden dann mit Schrecken feststellen, dass sie zwar eine Rendite von 2,5 oder drei Prozent pro Jahr vereinnahmen, ihre Anleihe aber einen Kursverlust von 20 oder 30 Prozent aufweist. Werden viele Anleihen von ihren Besitzern aus Not oder auch aus Nervosität verkauft, dürften die Verluste kurzfristig eher am oberen Ende der Bandbreite zu erwarten sein.
Ob sie sich schnell wieder erholen, ist eine weitere Frage, die nicht generell mit einem klaren ‚Ja‘ beantwortet werden kann. Schon Ende 2014 und auch im Jahr 2015 gab es bei den Anleihen Phasen, in denen Kursverluste von 20 bis 30 Prozent zu verzeichnen waren. Sie sind also nicht so ungewöhnlich, dass sie nicht jederzeit wieder auftreten könnten. Vor diesem Hintergrund sind „garantierte“ Zinseinnahmen von zwei oder drei Prozent ein Witz, allerdings ein schlechter. Die Verzinsung ist bescheiden, das Konkurs- bzw. Korrekturrisiko vergleichsweise hoch und das Chance-Risiko-Verhältnis damit schlecht und unattraktiv. Anleger, die auf der Suche nach höheren Zinsen sind, sollten sich deshalb gut überlegen, ob sie das Risiko einer schlecht verzinsten Hochzinsanleihe in diesen Tagen immer noch eingehen wollen.
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Ein Beitrag von Dr. Bernd Heim.