Berlin, 05. Apr (Reuters) - Im Streit über hohe Abgasemissionen von Diesel-Fahrzeugen hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages den Kritikern von Daimler DAIGn.DE und anderen Autoherstellern Argumentationshilfe geleistet. Nach Einschätzung der nicht namentlich genannten Parlamentsjuristen sind Einrichtungen zum Drosseln der Abgasreinigung nur in sehr engem Rahmen gesetzlich erlaubt. Das geht aus einer Reuters vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Grünen hervor, über die am Dienstag zuerst das "Recherchenetzwerk Deutschland" berichtete. Die EU-Emissionsverordnung erlaubt dies demnach nur punktuell und nicht regelmäßig oder bei Minustemperaturen nach dem Motorstart maximal 400 Sekunden lang.
Die Deutsche Umwelthilfe hatte Daimler vorgeworfen, bei der älteren Mercedes C-Klasse komme es wegen einer womöglich illegalen Abschalteinrichtung zu unerlaubt hohen Stickoxid-Emissionen. Der Autobauer hatte den Verdacht zurückgewiesen. Zwar werde die Abgasreinigung bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius zum Schutz des Motors heruntergeregelt. Doch diese Technik stehe völlig im Einklang mit dem Gesetz. "Wir sind davon überzeugt, dass die Regelung ... innerhalb der gesetzlichen Vorgaben erfolgt", bekräftigte ein Daimler-Sprecher. "Diese Maßnahme ist eine technische Notwendigkeit, die nicht Mercedes-spezifisch ist."
Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber wollte auf Nachfrage vor der Presse in Berlin keine Stellung dazu nehmen, ob die Abgasreinigung punktuell oder regelmäßig zurückgefahren wird. Die Rechtsauslegung des Wissenschaftlichen Dienstes müsse außerdem erst geprüft werden. Der neue Diesel-Motor, der erstmals in der neuen E-Klasse zum Einsatz kommt, wird Weber zufolge bis zu 80 Prozent weniger Stickoxid ausstoßen. Bis 2017 sollten zehn neue Modelle mit dem OM654 ausgerüstet werden, um die ab dann geltenden strengeren Vorgaben für Emissionstests zu erfüllen. Der Autobauer investiert 2,6 Milliarden Euro, um Motoren sauberer und sparsamer zu machen.
Das für Modellzulassungen zuständige Kraftfahrt-Bundesamt, dessen Rechtsauslegung entscheidend ist, wollte keinen Kommentar zu dem Papier der Parlamentsjuristen geben. Ein Bericht des Amtes über die Ergebnisse einer umfangreichen Prüfung von Diesel-Fahrzeugen aller Hersteller wegen des Dieselabgasskandals bei Volkswagen VOWG_p.DE steht noch immer aus. Der Wolfsburger Konzern hatte zugegeben, bei weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software zur Manipulation von Stickoxid-Werten auf dem Prüfstand installiert zu haben. Alle Autohersteller stehen nun unter Druck, weil Abgaswerte im Straßenbetrieb auch ohne illegale Software viel höher sind als unter Testbedingungen. Die Schadstofflimits werden so nur im Labor eingehalten. Eine Neuregelung zu den Testverfahren wird die Autoindustrie zwingen, ab 2017 die Kluft zwischen Gesetz und Realität zu verringern. (Reporterin: Ilona Wissenbach; Redigiert von: Birgit Mittwollen; Bei Rückfragen wenden Sie sich an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 069-7565 1312 oder 030-2888 5168.)