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ANALYSE-Endspiel um Jamaika - CDU-CSU-Sondierung könnte Aus bedeuten

Veröffentlicht am 06.10.2017, 09:55
Aktualisiert 06.10.2017, 10:00
© Reuters. German Chancellor Merkel, leader of the Christian Democratic Union Party (CDU), Seehofer, head of the CSU and Kauder attend their first parliamentary meeting after general election in Berlin

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Die Sondierungen von Union, FDP und Grünen für ein mögliches Jamaika-Bündnis könnten schon vor ihrem Beginn am Streit zwischen CDU und CSU scheitern.

Am Sonntag kommen die Spitzen der beiden Unions-Schwesterparteien in Berlin zusammen, um über gemeinsame Positionen für die Sondierung zu beraten. Das ist eigentlich üblich, aber 2017 handelt es sich um eine echte Sondierung zwischen der bayerischen Regionalpartei und der CDU. Die Union muss zunächst eine Einigung über die von der CSU geforderte und der CDU abgelehnte Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen finden - aber eine Lösung ist in dem verfahrenen, seit Monaten schwelenden Streit nicht in Sicht. Der Sonntag könnte deshalb bereits das frühe "Endspiel um Jamaika" einleiten, bevor FDP und Grüne überhaupt ins Spiel kommen.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder demonstrierte vor dem Treffen zwar Zuversicht und zeigte sich in einem Interview optimistisch, dass am Sonntag eine Einigung gelingen wird. Aber in der Union herrscht immer noch relative Ratlosigkeit. Denn die CSU hat keinen Zweifel daran gelassen, wie wichtig eine aus ihrer Sicht überzeugende Aufstellung für einen Erfolg bei den bayerischen Landtagswahlen im Herbst 2018 ist. In Bayern sitzt der Schock tief, dass die AfD bei der Bundestagswahl in dem Bundesland 12,4 Prozent, die erfolgsverwöhnte CSU aber nur 38,8 Prozent der Stimmen bekam. Oberstes Ziel ist jedoch die Verteidigung der absoluten Mehrheit der CSU 2018 - an den Erfolgsaussichten wird auch CSU-Chef Horst Seehofer gemessen.

Deshalb hat eine Phalanx aus CSU-Politikern in den vergangenen Tag ihre Forderung nach einer Obergrenze erneuert. Ein halbes Dutzend CDU-Spitzenpolitiker hat diese dagegen abgelehnt und die CSU gemahnt, wegen des für ein westliches Bundesland besonders guten AfD-Abschneidens in Bayern bescheidener aufzutreten. Die Analyse der Bundestagswahl fällt in den Schwesterparteien völlig unterschiedlich aus: Die Christsozialen fordern mehr Härte, um AfD-Wähler zurückzugewinnen und werfen Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel wie der bayerische JU-Vorsitzende Hans Reichhart "Realitätsverweigerung" vor.

Christdemokraten wiederum halten der CSU und vor allem Parteichef Horst Seehofer vor, sie hätten die AfD mit einer monatelangen Angstkampagne in der Flüchtlingspolitik und der ständigen Kritik an der von ihr selbst mitgetragenen Bundesregierung erst groß gemacht. Die Hoffnung ruhe nun darauf, dass Merkel mit Seehofer in ihren Gesprächen vor Sonntag mit einem Lösungsvorschlag kämen, heißt es übereinstimmend in beiden Parteien.

SOGAR EIN KOMPROMISS WÄRE EIN RISIKO FÜR JAMAIKA

© Reuters. German Chancellor Merkel, leader of the Christian Democratic Union Party (CDU), Seehofer, head of the CSU and Kauder attend their first parliamentary meeting after general election in Berlin

Die Krux bei dem Vorgehen der Union ist, dass selbst ein Ergebnis am Sonntag ein Problem bedeuten könnte. Wie immer ein Formelkompromiss auch aussehen könnte: Ist er erst einmal gefunden, könnten CDU und CSU davon in den folgenden Gesprächen mit FDP und Grünen eigentlich kaum noch abweichen. Dabei haben die kleinen Parteien durchaus abweichende Vorstellungen in der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik. Doch die ansonsten übliche Kompromissfindung bei einer Koalitionsbildung scheint in diesem Bereich nicht möglich: Schließlich hatte Seehofer die Parole ausgegeben, die Union müsse wegen der AfD "die offene rechte Flanke" wieder schließen. Deshalb gelten in München eigentlich schon Zugeständnisse an Merkels CDU als schwer erträglich.

Das erklärt, warum der neue CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sich generell skeptisch zeigt, dass ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen überhaupt zustande kommen kann. Das erklärt auch, wieso der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Stephan Harbarth vorsorglich bereits von den Grünen Flexibilität einfordert. "Aus der Analyse der Bundestagswahl ziehe ich den Schluss, dass der Spielraum der Union für Kompromisse mit den Grünen im Bereich der Migrationspolitik sehr begrenzt ist", sagte Harbarth zu Reuters. "Die Grünen werden sich hier ganz erheblich bewegen müssen."

Ob die Grünen das genauso sehen, ist allerdings fraglich. Denn auch wenn sich die Grünen-Spitze um die Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt kompromissbereit zeigen sollte: Ein Jamaika-Koalitionsvertrag müsste durch einen Mitgliedervotum bei den Grünen gebilligt werden. "Die Lage ist also so: Ohne eine Obergrenze droht uns die CSU abhanden zu kommen - mit einer Obergrenze die Grünen", sagte ein CDU-Bundesvorstandsmitglied. Ganz abgesehen davon, dass Merkel mehrfach betont hat, dass sie für eine Koalition mit einer vereinbarten Obergrenze nicht zur Verfügung stehe.

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