Frankfurt (Reuters) - Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn und andere im Dieselskandal Beschuldigte von Volkswagen (DE:VOWG) müssen derzeit keine Haftbefehle der Ermittler in Deutschland fürchten.
"Wir sehen wie bisher keinen Ansatzpunkt, einen unserer Beschuldigten wegen Fluchtgefahr festzunehmen", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Die überwiegende Zahl der Beschuldigten hat ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland, niemand hat sich bislang dem Ermittlungsverfahren entzogen." Die Braunschweiger ermitteln gegen insgesamt 37 Personen, unter ihnen Winterkorn, wegen des Verdachtes auf Betrug bei Dieselabgasen. Die Staatsanwaltschaft München hatte vergangene Woche einen ersten Beschuldigten von der VW-Tochter Audi festgenommen, die eine zentrale Rolle bei der Dieselmotorenentwicklung spielte.
Ende Januar hatte die Behörde erklärt, es gebe Anhaltspunkte, dass Winterkorn entgegen seiner eigenen Aussage schon vor dem 18. September 2015 über die Softwaremanipulation bescheid wusste. Das berichtete auch am Wochenende die "Bild am Sonntag" mit Verweis auf Dokumente der US-Justiz. Demnach sollen Winterkorn und auch der damals gerade frisch angetretene VW-Markenchef Herbert Diess am 27. Juli 2015 in Wolfsburg über die Betrugssoftware informiert worden sein. Bei einer Besprechung am 25. August 2015 habe der Anfang dieses Jahres in den USA verhaftete VW-Manager die Summe von 18,5 Milliarden Dollar genannt, die als Strafzahlung auf den Konzern zukommen könnte. Winterkorn hatte im Januar im Untersuchungsausschuss des Bundestages bestritten, vor der Bekanntgabe des Verstoßes durch die US-Behörden im September 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben.
Der Zeitpunkt, ab dem der VW-Spitze die drohenden finanziellen Folgen des Betruges in den USA klar waren, ist wichtig für die Ermittlungen wegen Marktmanipulation gegen damalige Vorstände von VW und der Hauptaktionärin Porsche (DE:PSHG_p) SE. Die Nachricht über eine Manipulation von elf Millionen Fahrzeugen weltweit löste einen Kurseinbruch aus. Viele Anleger erlitten Kursverluste und verklagten VW und die Porsche SE, gezielt zu spät über den Fall informiert zu haben. Beide Unternehmen wiesen das zurück. Letztlich müssen Ermittler und Richter klären, ob die Manager schon vor dem 18. September die Summe der Belastung kannten und diese nicht nur für das schlechteste, aber unwahrscheinliche Szenario hielten.
Die Staatsanwaltschaft München bestätigte unterdessen, dass der vorige Woche inhaftierte Audi-Manager gegenüber der Behörde zur Aussage bereit ist. "Der Beschuldigte macht Angaben", erklärte eine Sprecherin. Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte den Anwalt des italienischen Staatsbürgers damit, dass sein Mandant kooperiere und einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes leisten wolle. Audi hatte den Ingenieur im Frühjahr entlassen. Die Münchner Staatsanwälte ermitteln noch gegen mehrere Beschuldigte von Audi.