FRANKFURT (dpa-AFX) - Der ersehnte Verkauf der verlustreichen Stahlwerke des Industriekonzerns ThyssenKrupp in Übersee wird zunehmend unwahrscheinlich. Der Konzern arbeite immer ernsthafter an Alternativlösungen, hieß es am Montag in Konzernkreisen, die damit entsprechende Presseberichte bestätigten. Mit 'hoher Wahrscheinlichkeit' werde der Konzern sich einen Partner hereinholen und am Werk in Brasilien beteiligt bleiben, zitierte das 'Handelsblatt' aus informierten Kreisen. Denkbar ist inzwischen sogar, dass der Konzern den Verkauf der Anlagen zunächst ganz absagt, um erst später einen Anteil abzustoßen.
Sollte nur der Verkauf des Weiterverarbeitungswerks im US-Bundesstaat Alabama gelingen, könnte ThyssenKrupp eventuell mit einem Partner die Anlage nahe Rio de Janeiro sogar noch ausbauen und um ein Walzwerk ergänzen, hieß es auch im 'Wall Street Journal'. Damit könnte der Konzern dann auch den brasilianischen Markt bedienen. Bislang produziert das Werk nur Rohstahl, der dann in ThyssenKrupp-Werken in Alabama und in Duisburg zu Blechen weiterverarbeitet wird.
AKTIE VERLIERT
An der Börse sorgten die Berichte für schlechte Stimmung. Bis zum Mittag verlor die ThyssenKrupp-Aktie gut 2 Prozent an Wert und war zeitweise schwächster Wert im Dax . Dass ThyssenKrupp möglicherweise noch weiteres Geld in Brasilien investieren wolle, stieß vielen Händlern negativ auf.'Entscheidend ist, was letztendlich dem Konzernwohl dient', zitierte das 'Handelsblatt' aus Konzernkreisen. Dafür sei Vorstandschef Heinrich Hiesinger bereit, die Kritik für die lange Suche nach einer Lösung des Brasilien-Problems zu tragen. Er hatte die Anlagen vor rund anderthalb Jahren zum Verkauf gestellt. Als Favorit gilt bislang der brasilianische Stahlkonzern CSN, der aber als harter Verhandlungspartner bekannt ist. Die Gespräche ziehen sich hin. Knackpunkt ist der Preis.
HIESINGER WILL SICH NICHT ERPRESSEN LASSEN
Offiziell wollte ThyssenKrupp keinen Kommentar zum Verhandlungsstand geben. Ein Sprecher hielt an der bekannten Sprachregelung fest, wonach sich der Konzern 'unverändert in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem führenden Bieter' befindet und zugleich mit weiteren Interessenten spreche. Vor einer Woche hatte sich Hiesinger in einem Interview selbst betont gelassen gegeben. 'Wir sind nicht erpressbar', hatte der Manager der 'Westdeutschen Allgemeinen Zeitung' gesagt. Die Stahlwerke sollten nur dann verkauft werden, wenn die Verkaufsbedingungen eine tragfähigere Lösung ermöglichten als ein Fortführen im Konzern.Für Hiesinger geht es in der amerikanischen Stahlsparte nach eigenen Worten ohnehin nur noch um Schadensbegrenzung. Derzeit stehen die Fehlinvestitionen noch mit 3,4 Milliarden Euro in den Büchern. Der Konzern beziffert die gesamten Investitionskosten in die Werke auf 12 Milliarden Euro. Sie haben große Teile des Eigenkapitals aufgezehrt, weshalb eine Kapitalerhöhung nicht mehr ausgeschlossen ist.
VERKAUFSDRUCK GESUNKEN
Für das Werk in Alabama gibt es dem Vernehmen nach mehrere Interessenten. Unter anderem hatte Weltmarktführer ArcelorMittal den Finger öffentlich gehoben. Für das Werk in Brasilien soll es hingegen mit CSN nur einen Bieter geben.Ursprünglich hatte Hiesinger den Verkauf schon im Mai in trockenen Tüchern haben wollen. Doch der Druck ist inzwischen nicht mehr so groß. Das liegt zum einen daran, dass dass die brasilianische Währung zuletzt deutlich an Wert verloren hat und die Ausfuhr des Stahls damit lukrativer wird. Zum anderen läuft die Anlage in Brasilien inzwischen technisch besser. Für Pfusch beim Bau der Kokerei bekommt ThyssenKrupp laut 'Handelsblatt' von der chinesischen Firma Citic 75 Millionen Euro Schadensersatz./enl/mmb/stb