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Künftiger Linde-Chef umwirbt skeptische Arbeitnehmer

Veröffentlicht am 02.06.2017, 17:25
© Reuters. Linde Group logo is seen at its headquarters in Munich
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- von Jörn Poltz und Georgina Prodhan

München (Reuters) - Nach dem Machtkampf um die Fusion von Linde und Praxair zum weltgrößten Industriegasekonzern beschwichtigt der künftige Chef die aufgebrachten Arbeitnehmer in Deutschland.

"Die Aussicht auf langfristig nachhaltiges Wachstum bietet klare Entwicklungschancen für unsere Mitarbeiter", sagte Praxair-Chef Steve Angel am Freitag in München. Der 61-jährige Amerikaner stellte mit Linde-Chef Aldo Belloni und dem Architekten der Fusion, Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, den nach aktuellen Börsenwerten rund 65 Milliarden Euro schweren Plan vor.

Die Führungsgremien von Linde hatten den Fusionsvertrag am Donnerstagabend gegen heftigen Widerstand deutscher Arbeitnehmer abgesegnet. Wenn Aktionäre und Behörden mitziehen, soll der Zusammenschluss nächstes Jahr über die Bühne gehen. 2016 kamen beide Konzerne zusammen auf rund 26 Milliarden Euro Umsatz und 85.000 Mitarbeiter. Der neue Konzern, der ebenfalls Linde heißen soll, würde als Hersteller von Gasen wie Sauerstoff, Wasserstoff und Helium den bisherigen Weltmarktführer Air Liquide (PA:AIRP) aus Frankreich überrunden.

Gewerkschaften und Beschäftigte von Linde sorgen sich um Arbeitsplätze und ihre in Deutschland verankerte Mitbestimmung, wenn der Konzern künftig rechtlich in Irland sitzt und von Angel aus der bisherigen Praxair-Zentrale im US-Bundesstaat Connecticut gelenkt wird. Zwar soll der bisherige Linde-Sitz München ein wichtiger Standort bleiben und Aufsichtsratschef Reitzle den Verwaltungsrat des neuen Konzerns leiten. Doch das reichte den meisten Arbeitnehmervertretern nicht an Zugeständnissen - sie gingen gegen die Fusion auf die Barrikaden.

KEINE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITNEHMER

Nach monatelangem Streit fiel die Entscheidung im Linde-Aufsichtsrat nun aber ohne den von manchen erwarteten Eklat: Während Insidern zufolge alle sechs Kapitalvertreter erwartungsgemäß dafür votierten, stimmten nur fünf der sechs Arbeitnehmervertreter gegen den milliardenschweren Deal. Ausgeschert sei der Betriebsratschef des Dresdner Standorts, der ohne die Fusion von der Schließung bedroht wäre, sagten Eingeweihte. Deshalb verzichtete Aufsichtsratschef Reitzle darauf, die Zustimmung mit seinem doppelten Stimmrecht zu erzwingen.

"Es ist natürlich eleganter, wenn's ohne geht", zeigte sich Reitzle am Freitag erleichtert. Die IG Metall kritisiert das Vorgehen der Linde-Spitze scharf. "Es ist ein Bruch mit der deutschen Industriegeschichte, solch eine sehr knappe Entscheidung brachial durchzupeitschen, statt einen Konsens zu suchen", erklärte Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler.

In Dresden entwerfen gut 500 Mitarbeiter Konstruktionspläne für Lindes Anlagenbausparte. Die gesamte Sparte ist weniger renditeträchtig als das Gasegeschäft, weshalb bei Arbeitnehmern Sorgen aufkamen, Angel könne sich vom Anlagenbau insgesamt trennen. Der Amerikaner widersprach solchen Befürchtungen: "Wir freuen uns sehr, diese Fähigkeit in das neue Unternehmen einzubringen." Lindes Anlagenbau werde künftig sogar mehr Arbeit bekommen, weil der US-Konzern, der keine solche Sparte besitzt, entsprechende Aufträge bisher frei am Markt vergebe. "Ich habe in vielen Jahren erkannt, dass man kein führendes Industriegase-Unternehmen sein kann, wenn man kein starkes Ingenieur- und Technologie-Standbein hat", sagte Angel.

REITZLE: GRÖSSTE HÜRDE IST AKZEPTANZ DURCH LINDE-AKTIONÄRE

Stellenstreichungen über den ohnehin laufenden Arbeitsplatzabbau hinaus stehen Angel zufolge nicht im Vordergrund. "Wir glauben an Effizienz, aber Effizienz muss nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen gehen", sagte er zu Reuters. Das Management erwartet jährliche Kostensenkungen von mehr als einer Milliarde Euro. Einsparungen sollen sich etwa durch eine gemeinsame Forschung und die Zusammenlegung von Einkaufsvolumina ergeben.

© Reuters. Linde Group logo is seen at its headquarters in Munich

Die Linde-Aktie zählte am Freitag mit einem Plus von zwei Prozent zu den größten Gewinnern im Dax. Die Praxair-Titel kletterten am Freitag um bis zu 1,9 Prozent auf ein neues Rekordhoch von 136,69 Dollar.

Als entscheidende Hürde sieht Reitzle nun die Frage, ob ausreichend viele Linde-Aktionäre ihre Anteilsscheine in Aktien der neuen Linde-Holdung umtauschen. Die Konzerne wollen nur dann fusionieren, wenn mindestens 75 Prozent der Linde-Aktionäre mitziehen. "75 Prozent sind nicht trivial", sagte Reitzle zu Reuters. Das Umtauschfrist solle voraussichtlich im September beginnen und 70 Tage laufen, erläuterten Angel und Belloni im Reuters-Gespräch. Die Praxair-Aktionäre hingegen sollen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung gegen Ende der Umtauschfrist über die Fusion abstimmen.

Durch behördliche Auflagen im Zuge der Fusion erwarten die Manager keine besonderen Schwierigkeiten. Zwar überlappen sich in den USA die Geschäfte beider Konzerne stark. Um die erwarteten Auflagen zu erfüllen, sei dort "definitiv" eine Trennung von Firmenteilen nötig, sagte Belloni. Reitzle äußerte sich im Reuters-Gespräch zuversichtlich, dass Kartellauflagen nicht die entscheidende Hürde sein würden. "Es könnte sein, dass wir mehr abgeben müssen als geplant, aber das wird unter unserer Schmerzgrenze sein." Angel bezifferte diese Schmerzgrenze auf Geschäftsteile mit einem Umsatzvolumen von zusammen 3,7 Milliarden Euro Dollar oder einem Betriebsgewinn (Ebitda) von 1,1 Milliarden Dollar.

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