Die USA melden einen Anstieg des Verbraucherpreisindex von 7 %. Das ist heftig. Normalerweise würde man in dieser Situation mit einem schnellen Anstieg der Zinsen rechnen, um eine galoppierende Inflation zu verhindern. Eine Zinswende könnte Gift sein für Anleger, die in den langen Niedrigzinsjahren gute Gewinne etwa mit ETFs auf den MSCI World (DE:X010) eingefahren haben.
Viele im MSCI World prominent vertretene Unternehmen profitieren von niedrigen Zinsen, sei es, weil sie hoch verschuldet sind, ihre Gewinne in weiter Zukunft liegen oder aber die Dividenden ihrer Aktien dadurch besonders attraktiv sind.
Es könnte daher eine gute Idee sein, die Profite mitzunehmen und den Erlös dort zu investieren, wo höhere Zinsen höhere Gewinne bedeuten. Das wären zum Beispiel Banken oder Unternehmen mit einer besonders großen Lücke bei den Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen. Aber bevor du aktivistisch wirst, habe ich hier einige Hinweise zum Nachdenken zusammengestellt.
Die Zentralbanken sehen nur begrenzten Handlungsbedarf Die Türkei wird oft dafür gescholten, dass sie die Zinsen trotz hoher Inflation nicht aggressiver anhebt. Dort bezahlt die Zentralbank allerdings trotz der jüngsten Senkungen immer noch 14 % p.a. In Europa hingegen, wo die Inflation aktuell mit rund 5 % gemessen wird, soll es sogar bei Nullzinsen bleiben. In den USA wiederum wird allenfalls ein Anheben der Leitzinssätze in kleinen Schritten in Aussicht gestellt.
Wird hier also mit zweierlei Maß gemessen? Nicht zwingend. Die primäre Ursache für die türkische Inflation ist nämlich eine andere als bei uns oder in den USA. Dort spielt ein mangelndes Vertrauen in die Wirtschaftspolitik und die Unabhängigkeit der Zentralbank eine wichtige Rolle. In Europa und Nordamerika geht es hingegen um CO2-Steuer, Lieferengpässe und Ähnliches, die über steigende Energie- und Transportpreise durchschlagen.
Diese ungewöhnliche Knappheitssituation könnte vorübergehend sein. In einem Jahr, wenn die aktuell erhöhten Preise als Vergleichsmaßstab dienen, reden wir möglicherweise wieder darüber, wie wir die Deflation bekämpfen können.
An den Terminmärkten herrscht Entspannung Viele Rohstoffpreise haben in den letzten Monaten deutlich angezogen, egal ob Erdgas, Kaffee oder Aluminium. Bei anderen hat sich die Situation allerdings auch schon wieder entspannt, wie zum Beispiel beim Holz oder Eisenerz. Auch Edelmetalle wie Platin und Gold, die als klassische Inflationsschutzrohstoffe gelten, haben sich eher schwach entwickelt.
Dass die Inflationserwartung vom aktuellen Niveau aus eher niedrig ist, zeigt sich auch an den Terminmärkten. Dort wird der erhöhte Ölpreis als vorübergehend angesehen. Die Sorte Brent wird aktuell zu knapp 85 US-Dollar gehandelt. Wer sich jedoch erst Ende 2023 beliefern lässt, der muss lediglich 73 US-Dollar bezahlen, zwei Jahre später sogar nur 67 US-Dollar.
Die Marktteilnehmer – also im Wesentlichen Händler, Großverbraucher und Erdöllieferanten mit viel Expertise – gehen folglich davon aus, dass die Kaufkraft des US-Dollar am Energiemarkt auf Jahre hinaus hoch sein wird. Sie scheinen sich nur wenig um die derzeitige Inflation zu kümmern.
Der Rentenmarkt ist ebenso wenig alarmiert Wenn es bereits eine ausgemachte Sache wäre, dass früher oder später die Zinsen stark steigen müssen, dann würden smarte Finanzchefs nun versuchen, über die Begebung von Unternehmensanleihen noch schnell die Liquidität aufzupumpen. Eine erhöhte Aktivität ist jedoch nicht festzustellen. Vielmehr erwarten von Bloomberg befragte Experten, dass das Emissionsvolumen in diesem Jahr etwas zurückgeht.
Und die Bundesfinanzagentur kann weiterhin langfristige Anleihen zu Spottpreisen verkaufen. Am 12. Januar gingen bis 2052 laufende Papiere mit einer durchschnittlichen Rendite von 0,28 % über den Tisch. Die Woche zuvor erzielte sie erneut Minuszinsen auf eine zehnjährige Anleihe. Und selbst inflationsgeschützte Anleihen, die doch jetzt besonders gefragt sein sollten, haben sich in den letzten Monaten kaum bewegt.
Man kann den MSCI World zu Geld machen, aber nicht wegen der Zinswende Ja, der MSCI World ist dank der herausragenden Performance seiner größten Komponenten gut gelaufen und es könnte sinnvoll sein, Gewinne mitzunehmen, um sie von hier aus in aussichtsreichere Aktien oder ETFs umzuschichten. Aber die drohende Zinswende sollte nicht der Hauptanlass dafür sein. Die Signale aus den Termin- und Rentenmärkten sprechen dagegen, dass an dieser Front größere Bewegungen anstehen.
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