Frankfurt (Reuters) - Stimmungsumschwung bei den Brexit-Umfragen und an den europäischen Börsen:
Da das Lager der EU-Befürworter offenbar wieder Zulauf bekommt, setzten Anleger am Montag auf einen Verbleib Großbritanniens in der Staatengemeinschaft und deckten sich mit Pfund Sterling und Aktien ein. Die britische Währung verteuerte sich um rund drei US-Cent auf 1,4676 Dollar. Damit steuerte sie auf den größten Tagesgewinn seit den Turbulenzen nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 zu.
"Das ist eine Erleichterungs-Rally", sagte Marktstratege Heino Ruland vom Brokerhaus ICF. "Die Finanzmärkte hängen mittlerweile ausschließlich an den Brexit-Umfragen." In den ersten Erhebungen nach der Ermordung der britischen Parlamentarierin und EU-Befürworterin Jo Cox vergangene Woche lagen die Brexit-Gegner wieder knapp vorn.
"Vielleicht ist dies das erste Zeichen dafür, dass - wie von Umfrage-Experten stets betont - das 'Weiß nicht'-Lager historisch betrachtet in den Tagen vor einem Referendum zum Status Quo tendiert", sagte Derek Halpenny, Chef-Analyst für Europa bei der Bank of Tokyo-Mitsubishi UFJ. Joe Rundle, Chef-Händler des Brokerhauses ETX Capital, warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen. "Meinungsumfragen sind nicht in Stein gemeißelt und können sich in den kommenden Tagen schnell ändern." Die Briten stimmen am Donnerstag über den Brexit ab. In den vergangenen Wochen hatten die EU-Gegner kontinuierlich Zulauf erhalten.
AKTIEN, ÖL UND KUPFER IM AUFWIND - GOLD UND ANLEIHEN TIEFER
Im Windschatten des Pfund legte auch der Euro zu und verteuerte sich um einen guten halben US-Cent auf 1,1332 Dollar. Europäische Aktien waren ebenfalls begehrt. Dax und EuroStoxx50 stiegen um jeweils 3,5 Prozent auf 9962,02 und 2945,29 Punkte. Das ist für beide der größte Tagesgewinn seit März. Der Londoner Auswahlindex FTSE gewann am Montag drei Prozent. Auch an der Wall Street standen die Zeichen auf Kauf: Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 legten bis zu 1,7 Prozent zu.
Am Rohstoffmarkt verteuerte sich die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee um 2,3 Prozent auf 50,31 Dollar je Barrel (159 Liter). Das wichtige Industriemetall Kupfer kostete mit 4639 Dollar je Tonne knapp zwei Prozent mehr als am Freitag.
Die "Antikrisen-Währung" Gold warfen Investoren dagegen aus ihren Depots. Der Preis des Edelmetalls ging um ein Prozent auf 1285,21 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) zurück. Der Bund-Future, der auf der ebenfalls als sicher geltenden zehnjährigen Bundesanleihe basiert, rutschte um 56 Ticks auf 164,31 Punkte ab.
FINANZ- UND IMMOBILIENWERTE WIEDER FAVORISIERT
Am Aktienmarkt standen die Finanzwerte ganz oben auf der Einkaufsliste der Investoren. Der europäische Banken-Index stieg um 4,6 Prozent. Die Titel der britischen Geldhäuser Barclays (LON:BARC), Lloyds und Royal Bank of Scotland (RBS) legten sogar bis zu 7,6 Prozent zu. Deutsche Bank (DE:DBKGn) gewannen 5,9 Prozent und Commerzbank (DE:CBKG) 2,7 Prozent. In den vergangenen beiden Wochen waren die Aktien des Finanzsektors wegen der Angst der Anleger vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit um rund 15 Prozent eingebrochen.
Spitzenreiter im US-Standardwerteindex Dow Jones war Boeing (NYSE:BA) mit einem Kursplus von 2,9 Prozent. Dem Chef des iranischen Luftfahrtverbandes zufolge hat sein Land 100 Maschinen beim US-Flugzeugbauer und Airbus-Rivalen bestellt.