- von Andreas Kröner
Frankfurt (Reuters) - Fresenius-Chef Stephan Sturm tütet nach gut zwei Monaten an der Firmenspitze die größte Übernahme in der Geschichte des Gesundheitskonzerns ein.
Für den spanischen Klinikbetreiber Quironsalud legt der ehemalige Investmentbanker fast sechs Milliarden Euro auf den Tisch. Fresenius baut seine Position als größter privater Klinikbetreiber in Europa damit deutlich aus. Bei Anlegern kam der Mega-Deal am Dienstag gut an. Fresenius-Aktien schossen in der Spitze um 5,8 Prozent auf 70 Euro nach oben - der höchste Stand seit Dezember.
"Zwei in Qualität und Größe führende Unternehmen schließen sich zusammen", sagte Sturm. Für die Fresenius-Kliniktochter Helios, die bisher nur in Deutschland tätig ist, sei die Übernahme strategisch ein wichtiger Schritt. Helios hatte 2014 zahlreiche Häuser des Konkurrenten Rhön-Klinikum geschluckt und kann in der Bundesrepublik seitdem aus Kartellgründen nicht mehr im großen Stil zukaufen. Deshalb sah sich die Nummer 1 im deutschen Krankenhausmarkt in anderen Ländern um. "Mit Quironsalud übernehmen wir den größten privaten Krankenhausbetreiber Spaniens und die Nummer vier in Europa", sagte Helios-Chef Francesco De Meo. Der Konzern aus dem hessischen Bad Homburg baut damit seine Führung vor den Konkurrenten Asklepios und Sana-Kliniken weiter aus.
Quironsalud betreibt 43 Krankenhäuser und 39 ambulante Gesundheitszentren. Verkäufer sind die Beteiligungsgesellschaft CVC, die 58 Prozent an dem Konzern hält, sowie die Geschäftsführung der Klinikkette - allen voran Mitgründer und Chef Victor Madera. Er soll nach der Übernahme an Bord bleiben. Um dies zu unterstreichen, begibt Fresenius Aktien im Wert von 400 Millionen Euro an Madera, die er mindestens zwei Jahre halten muss. Den Rest finanzieren die Hessen mit Fremdkapital.
DIE WILD GEWORDENE APOTHEKE
Fresenius ist aus der Frankfurter Hirsch-Apotheke hervorgegangen und durch mehrere Milliarden-Zukäufe zu einem globalen Firmenkonglomerat in der Gesundheitsbranche gewachsen. Die bisher größte Übernahme war 2008 der Kauf des US-Generikakonzerns APP, für den die Hessen rund vier Milliarden Euro hinlegten. Sturm wechselte 2005 von Credit Suisse (SIX:CSGN) als Finanzchef zu Fresenius. Er war damit der erste Investmentbanker in Deutschland, der direkt in den Vorstand eines Großunternehmens aus der Realwirtschaft einzog. Im Juli trat er die Nachfolge von Ulf Schneider an, der das Ruder beim Schweizer Lebensmittelkonzerns Nestle (SIX:NESN) übernimmt.
Nach einer gut zwei Jahre langen Phase ohne größere Übernahmen hatte sich Sturm zuletzt wieder offen dafür gezeigt. Schließlich sei die Bewertungen von Unternehmen in der Gesundheitsbranche und auch die Verschuldungsquote von Fresenius - das Verhältnis von Netto-Finanzverbindlichkeiten zum Betriebsgewinn (Ebitda) - gesunken. Durch die Quironsalud-Übernahme wird die Quote nach Einschätzung von Fresenius nun zwar auf 3,1 steigen. Bereits Mitte nächsten Jahres soll sie aber wieder in der anvisierten Spanne von 2,5 bis 3,0 liegen - weitere Übernahmen sind somit durchaus denkbar.
Fresenius hat Insidern zufolge auch für eine milliardenschwere Sparte des US-Pharmakonzerns Pfizer (NYSE:PFE) geboten. Zuletzt geriet der Verkauf demnach aber ins Stocken, und es ist unklar, ob Pfizer seine Sparte mit Spritzenpumpen zur intravenösen Verabreichung von Medikamenten zum gebotenen Preis verkaufen möchte.
WIRD FRESENIUS ZU KOMPLEX?
Der Kaufpreis für Quironsalud beträgt 5,76 Milliarden Euro inklusive Schulden. Die Spanier beschäftigen rund 35.000 Mitarbeiter, erwarten im laufenden Jahr einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro und sind sehr profitabel. Ihre Gewinnmarge liegt über der von Helios. Im kommenden Jahr peilt Quironsalud einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 520 bis 550 Millionen Euro an. Der Kaufpreis entspricht damit dem 10,8-fachen des Betriebsgewinns - beim Rhön-Deal lag diese Kennzahl bei zwölf. "Dies ist unseres Erachtens eine gute Indikation, dass die Akquisition für einen attraktiven Preis getätigt wird", erklärte Analyst Sven Kürten von der DZ Bank. Durch den Zukauf werde Fresenius unabhängiger vom erfolgsverwöhnten Geschäft mit Nachahmermedikamenten in den USA, das sich künftig auf mehr Konkurrenz einstellen müsse, betonten die Analysten der Investmentbank Bryan, Garnier & Co.
Andere Experten äußerten sich skeptischer. Fresenius werde durch die Übernahme immer komplexer und schwerer zu führen, warnte UBS-Analyst Ian Douglas-Pennant. Zudem seien die Gesundheitssysteme in Spanien und Deutschland sehr unterschiedlich. Die Experten des Analysehauses Kepler Cheuvreux sprachen sogar von einer "begrenzten strategischen Logik", die mittelfristig in Aussicht gestellten Synergien von 50 Millionen Euro vor Steuern seien überschaubar.