- von Irene Preisinger und Jan Schwartz
München/Hamburg (Reuters) - Razzia in der Privatwohnung und Ermittlungen wegen Betrugsverdacht: Audi-Chef Rupert Stadler rückt in der Dieselaffäre erstmals ins Visier der Fahnder.
Die Staatsanwaltschaft München II teilte am Montag mit, sie führe jetzt auch den Audi-Chef sowie ein weiteres, namentlich nicht genanntes Vorstandsmitglied der Ingolstädter VW-Tochter als Beschuldigte. Ihnen werde jeweils Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Dabei geht es um den Vorwurf, dass Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Software auf den europäischen Markt gebracht wurden. Bislang waren keine amtierenden Vorstände unter den Beschuldigten. Im März 2017 waren die Ermittler bei Audi erstmals zur Razzia angerückt, die Durchsuchung am Montag ist seither die fünfte.
Ein Audi-Sprecher sagte, das Unternehmen kooperiere mit den Ermittlern. Volkswagen (DE:VOWG) lehnte wegen der laufenden Ermittlungen eine Stellungnahme ab. Es gelte weiterhin die Unschuldsvermutung, sagte ein Sprecher.
Stadler, der Audi seit 2007 lenkt und die Marke mit den vier Ringen in der Vergangenheit von Erfolg zu Erfolg führte, ist seit Bekanntwerden des Abgasskandals vor mehr als zweieinhalb Jahren massiv unter Druck. Kritiker werfen ihm eine schleppende Aufarbeitung des Skandals vor. Der Manager selbst bestreitet jede Beteiligung an Manipulationen und überstand mehrere interne Scherbengerichte, weil die Eigentümerfamilien Porsche (DE:PSHG_p) und Piech zu ihm hielten. Die Porsche SE wollte sich zunächst nicht zu den Ermittlungen gegen Stadler äußern. Über sie halten die Familien mit 52 Prozent die Mehrheit an Volkswagen.
Für VW-Chef Herbert Diess könnten sich die Ermittlungen gegen Stadler zu einem Problem auswachsen. Denn er setzt beim Umbau des Wolfsburger Konzerns auf den Audi-Chef. Stadler leitet die wichtige Premiumgruppe der Wolfsburger mit der Marke Audi an der Spitze. Über seine bevorstehende Ablösung als Vorstandschef in Ingolstadt wurde in der Vergangenheit regelmäßig in Medien spekuliert. Belastbare Hinweise auf Fehlverhalten Stadlers liegen allerdings Insidern zufolge bislang nicht vor. Einen Rücktritt lehnte der langjährige Audi-Manager in der Vergangenheit ab.
Im Februar antwortete Stadler dem "Handelsblatt" auf die Frage nach persönlichen Konsequenzen für den Fall, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf ihn ausgeweitet würden: "Ich möchte und werde meinen Anteil zur Aufklärung beitragen, ohne Wenn und Aber." Im VW-Konzern ist Stadler nicht der einzige amtierende Spitzenmanager im Fadenkreuz der Ermittler: Gegen Vorstandschef Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts der Marktmanipulation.
ZAHL DER BESCHULDIGTEN AUF 20 GESTIEGEN
Mit der Ausweitung der Ermittlungen laufen in dem Münchner Verfahren inzwischen Verfahren gegen 20 Personen. Erst im Februar hatten die Ermittlungen die Vorstandsebene von Audi erreicht. Damals durchsuchte die Staatsanwaltschaft München Privatwohnungen und einen Arbeitsplatz von drei Beschuldigten, darunter zwei ehemalige Audi-Vorstände. Sie stehen im Verdacht, mit dafür gesorgt zu haben, dass ein wesentlicher Teil der mit Schummelsoftware ausgestatteten Dieselfahrzeuge in den USA und Europa auf den Markt gebracht wurde. Schon davor waren Ermittler mehrfach zu Razzien nach Ingolstadt ausgerückt, um Beweismaterial zu sichern.