BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung will die Arbeitspotenziale bei Frauen, älteren Menschen und Migranten besser ausschöpfen, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Die Hälfte der Frauen arbeite - häufig gegen ihren Wunsch - in Teilzeit. 'Und deshalb wollen wir ein Recht auf Rückkehr in Vollzeit schaffen', sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Mittwoch in Berlin. Den Gewerkschaften gehen die Maßnahmen von Politik und Unternehmen nicht weit genug.
Nahles erläuterte, viele Frauen wünschten sich mehr Arbeitsstunden
- nicht immer volle 38,5 Stunden, aber mehr als 20 auf jeden Fall.
Insbesondere bei Frauen mit Migrationshintergrund schlummere noch ein großes Potenzial, sagte sie bei der Vorstellung des zweiten Fortschrittsberichts zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung, den das Kabinett am Vormittag billigte.
Mit dem ebenfalls vom Kabinett verabschiedeten Haushalt stehen nach den Worten der Ministerin jetzt wieder 140 Millionen Euro zur Anwerbung junger ausländische Arbeitskräfte zur Verfügung. Diese jungen Menschen seien bisher vor allem aus Spanien gekommen, aber auch aus anderen Ländern.
Nahles wandte sich gegen den Vorwurf der Wirtschaft, ihre Rente mit 63 bei 45 Beitragsjahren könnte bis zu 50 000 ältere Arbeitnehmer dazu verleiten, sich früher zur Ruhe zu setzen. Dieses Rentenalter werde stufenweise wieder auf 65 angehoben. Im übrigen sei künftig nicht mehr die entscheide Frage, wann man in Rente gehe, sondern wie das Älterwerden organisiert werde. Hier seien flexible Arbeitszeitmodelle gefragt.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer gab bei dem gemeinsamen Auftritt mit Nahles der Hoffnung Ausdruck, dass die Gesetzesvorlage zur Rente mit 63 noch geändert werde. Nach seinen Worten ist der Fachkräftemangel neben der Energiewende zentrales Thema der Wirtschaft. Bis etwa 2020 würden nach derzeitigen Berechnungen sechs Millionen Arbeitskräfte fehlen, davon 1,5 Millionen Facharbeiter und nur 150 000 Ingenieure. Schweitzer warb für mehr Berufsausbildung im Dualen System und warnte, dem Wirtschaftsstandort Deutschland drohe nachhaltiger Schaden, wenn auf 'Akademisierung um jeden Preis' gesetzt werde.
Mit Blick auf ältere Menschen reagieren laut Schweitzer bereits heute sieben von zehn Unternehmen auf die Alterung der Belegschaften. Flexiblere Arbeitszeiten stünden dabei im Vordergrund. Eine andere Möglichkeit wäre die Ausgestaltung der Hinzuverdienstmöglichkeiten. Um Fachkräfte aus dem Ausland zu werben, werde eine bessere Willkommenskultur nicht nur des Staates insgesamt, sondern auch der Unternehmen notwendig.
Nach dem Bericht liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei Frauen in Teilzeit bei 18,6 Stunden. Im EU-Vergleich weise nur Portugal (16,4 Stunden) einen niedrigeren Wert auf. Fast jede sechste Frau gebe an, dass sie keinen anderen Arbeitsplatz finden konnte. Etwa jede fünfte Mutter wolle mehr arbeiten.
IG-Metall-Chef Detlef Wetzel kritisierte: 'Wir sehen beim Fachkräftekonzept der Bundesregierung erheblichen Bedarf zur Konkretisierung für einen verbindlichen Maßnahmenkatalog.' Allerdings: 'Die angekündigte Fachkräfteallianz ist ein richtiger Schritt.'/rm/DP/jkr