MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der ADAC probiert nach wochenlangen Querelen einen personellen Befreiungsschlag - doch es ist ein Schlag ins Kontor. Statt eines kraftvollen Neuanfangs gibt es Streit und Chaos. Am frühen Montagnachmittag lässt ADAC-Präsident Peter Meyer seinen Rücktritt erklären. Doch die Mitteilung kommt von seinem eigenen Regionalclub Nordrhein, nicht aus der Zentrale in München. Dort war kurz zuvor die Entscheidung über Meyers Zukunft gefallen. Die Granden des Clubs hatten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Meyer eingeleitet. Der Präsident sollte vom Hof gejagt werden. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Herren sicherlich, dass die Berichte zutrafen, wonach auch bei der Rangfolge des 'Gelben Engels' manipuliert worden war.
'Angesichts der aktuellen Vertrauenskrise des ADAC und der erschütternden Ergebnisse der aktuellen Krisenaufarbeitung hat das Präsidium des ADAC am Montagvormittag ein Suspendierungsverfahren gegen Peter Meyer beschlossen', heißt es in der Mitteilung. ADAC-Vize August Markl erklärt: 'In den vergangenen Wochen ist jedem in der Führungsspitze des ADAC bewusst geworden, dass die Struktur des ADAC den mit der Organisationsgröße verbundenen Anforderungen nicht mehr gerecht wird.' Meyer, heißt es ausdrücklich, übernehme nun die politische Verantwortung für das wochenlange Chaos beim ADAC.
Bei Meyer liest sich das ganz anders. 'Wenn die Gremien in Krisen eine Gefolgschaft nicht leisten, kann es keine strukturellen und unternehmenskulturellen Veränderungen im ADAC geben.' Davon, dass er Verantwortung übernehmen wolle, findet sich kein Wort in der Erklärung. Im Gegenteil: 'Für Fehler und Manipulationen von hauptamtlichen Führungskräften, denen gemäß ADAC Satzung die Besorgung der laufenden Geschäfte obliegt, möchte ich nicht länger alleine verantwortlich gemacht werden', schreibt der Ex-Präsident. Los ist die Vereinsführung ihn ohnehin nicht, denn Meyer bleibt vorerst Chef seines Regionalclubs Nordrhein, sagt eine Sprecherin.
Immerhin Klarheit gibt es an einem weiteren Punkt: Am Nachmittag veröffentlichte der ADAC die ersten Ergebnisse einer Untersuchung der Unternehmensberatung Deloitte über die Manipulationen beim Autopreis 'Gelber Engel'. Nun steht fest, was seit Tagen berichtet und von vielen befürchtet wurde: Nicht nur die Teilnehmerzahlen wurden geschönt, auch die Rangfolge ist 2014 verfälscht worden. 'Wir sind fassungslos, dass dies in unserem Haus passieren konnte', sagt ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair und bittet bei Mitgliedern, Mitarbeitern und der Autoindustrie um Entschuldigung. Doch Vergebung wird es nicht ohne weiteres geben. Hersteller wie Daimler (ETR:DAI), BMW (ETR:BMW) oder VW haben bereits angekündigt, ihre Auszeichnungen zurückzugeben.
Noch undeutlich ist, ob auch in den Vorjahren gefälscht wurde. Anhaltspunkte gibt es dafür aber einige. Die Schuld sieht der ADAC weiter bei Ex-Kommunikationschef Michael Ramstetter, der schon seinen Posten geräumt hatte. Er muss sich nun auf rechtliche Schritte gefasst machen. Ex-Präsident Meyer hatte wie der Geschäftsführer des ADAC, Karl Obermair, stets betont, dass Ramstetter alleine gehandelt habe. Offen ist, ob es die letzten Personalentscheidungen beim ADAC waren - oder ob am Ende noch andere Obere ihre Jobs verlieren.
Der Imageschaden für den zweitgrößten Autoclub der Welt mit seinen fast 19 Millionen Mitgliedern ist bereits enorm. Und die Umstände von Meyers Abgang dürfte den Lack nicht eben aufpolieren. Dabei gibt es neben dem 'Gelben Engel' noch ganz andere Probleme. Das Amtsgericht München prüft den Vereinsstatus des ADAC, der Club steht als milliardenschwerer Konzern in der Kritik. Von Provisionen für Pannenhelfern bei der Vermittlung bestimmter Autobatterien bis zu angeblich fragwürdigen Testmethoden reichen die Vorwürfe, die in den vergangenen Wochen gegen den Club und seine Führung erhoben wurden.
Bundesverbraucherminister Heiko Maas (SPD) sagte in Berlin jedenfalls, Meyers Abschied werde nicht genügen, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. 'Dieser Rücktritt wird allein nicht ausreichen', sagte der Minister. Ruhe wird in den kommenden Tagen im schicken Büroturm des ADAC nicht einkehren. Die Aufarbeitung der Skandale und Mauscheleien hat eben erst begonnen.