ESSEN (dpa-AFX) - Die Gespräche über einen Zusammenschluss des Stahlgeschäfts von Thyssenkrupp (XETRA:TKAG) mit Teilen des indischen Konzerns Tata Steel nehmen einem Pressebericht zufolge konkretere Formen an. Nach Informationen der "Rheinischen Post" (Mittwoch) spielen die Konzerne auf höchster Ebene verschiedene Szenarien für eine Kombination durch. Auch am verlustreichen Thyssenkrupp-Stahlwerk in Brasilien haben die Inder der Zeitung zufolge große Interesse. Eine Einigung stehe aber nicht unmittelbar bevor.
Offiziell lehnen beide Seiten zu den seit Tagen umgehenden Gerüchten konkrete Kommentare ab. "Wir haben diese Berichte gegenüber den Medien nicht kommentiert, weil dazu aus unserer Sicht kein Anlass besteht", erklärte Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger in einem der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX vorliegenden Schreiben an die Mitarbeiter.
Der Manager betonte, dass angesichts der anhaltenden schwierigen Lage der Branche eine Konsolidierung der europäischen Stahlindustrie "ein möglicher Schritt nach vorne" sein könne. "Ob, wann und unter Beteiligung welcher Unternehmen es aber zu einer solchen Konsolidierung kommt, ist völlig unklar", betonte Hiesinger. "Wenn es dazu kommt, dann wollen wir bei Thyssenkrupp in der Lage sein, uns aktiv und aus einer Position der Stärke heraus daran zu beteiligen."
Eine Variante für einen Zusammenschluss sieht der "Rheinischen Post" zufolge vor, die europäischen Stahlgeschäfte von Thyssenkrupp und Tata jeweils ihrem Wert entsprechend an einem Gemeinschaftsunternehmen zu beteiligen und diese Gesellschaft an die Börse zu bringen. Gewerkschaften und Politik sind der Zeitung zufolge eng in die Gespräche eingebunden. Denkbar sei auch eine Dreier-Allianz mit Salzgitter. Der zweitgrößte deutsche Stahlhersteller könnte in die Verhandlungen miteinbezogen werden.
Für einen möglichen Zusammenschluss schafften Tata und Thyssenkrupp zuletzt schon einige Hürden aus dem Weg. So trennt sich Tata von seinem schwachen britischen Stahlgeschäft, so dass der Konzern schließlich nur sein Werk im niederländischen IJmuiden mit in die mögliche Ehe einbringen würde. Umgekehrt sicherte sich Thyssenkrupp in der vergangenen Woche den alleinigen Zugriff auf sein Stahlwerk in Brasilien.
Angesichts des anhaltenden Preisdrucks stehen die Ergebnisse der Stahlunternehmen in Europa seit Jahren unter Druck. Zuletzt hatte sich die Situation durch einen deutlichen Anstieg der Einfuhren aus China noch verschärft. Vor diesem Hintergrund laufen in der Branche dem Vernehmen nach diverse Gespräche über mögliche Allianzen, um etwa Kosten zu sparen.
Immer wieder tauchen dabei auch Spekulationen über einen Zusammenschluss der beiden größten deutschen Stahlhersteller Thyssenkrupp und Salzgitter auf. Top-Manager gerade von Salzgitter weisen solche Gerüchte aber stets zurück. Am Mittwoch bestätigte ein Sprecher erneut die ablehnende Haltung. Er könne sich derzeit keine Konstellation vorstellen, in der ein Zusammengehen mit Thyssenkrupp für Salzgitter Vorteile bringe. Dabei verwies er auch auf die deutlich bessere finanzielle Ausstattung seines Unternehmens im Vergleich zu Thyssenkrupp, das nach Milliardenverlusten in den vergangenen Jahren auf dünnen Eigenkapitalpolstern sitzt.
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) steht einem möglichen Zusammenschluss der Stahlsparten von Thyssenkrupp und Salzgitter skeptisch gegenüber. "Ich gebe offen zu: Ich bin kein großer Freund der Idee einer 'Deutschen Stahl AG', weil die Konsequenz vermutlich wäre, dass Arbeitsplätze in unserer Industrie wegfallen, obwohl die ineffizienten Stahlwerke im Ausland stehen", sagte Gabriel der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch).