Berlin/Frankfurt/London (Reuters) - Der erste gemeinsame Streik von Piloten und Flugbegleitern in Deutschland setzt den Billigflieger Ryanair (IR:RYA) unter Druck.
Der 24-Stunden-Ausstand begann am frühen Mittwochmorgen und sorgte für zahlreiche Flugstreichungen. Der irische Konzern hatte angekündigt, dass 150 von 400 Verbindungen von und nach Deutschland ausfallen müssten. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) ging von einer höheren Zahl aus und hielt sich weitere Arbeitsniederlegungen offen. "So lange Ryanair keine verbesserten Angebote macht, muss es notfalls hier auch weitere Streiks geben", sagte VC-Tarifexperte Ingolf Schumacher. Ryanair-Chef Michael O'Leary konterte auf einer Pressekonferenz in London, die Streiks hätten nur einen winzigen Effekt auf den gesamten Betrieb. Man werde sie hinnehmen, um das Geschäftsmodell als Billigflieger zu bewahren.
Zu dem Ausstand am Mittwoch hatten die VC und die für die Flugbegleiter verhandelnde Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen. Verdi-Vertreterin Katharina Wesenick sprach von "teilweise mittelalterlichen Arbeitsbedingungen" bei Ryanair und sagte mit Blick auf die Auseinandersetzung: "Wir sind weit davon entfernt, uns zu einigen." Ryanair hatte die Aktion am Dienstag als ungerechtfertigt und unverantwortlich kritisiert. Sollten die Streiks andauern, müssten alle Standorte in Deutschland überprüft und womöglich Personal abgebaut werden.VC-Experte Schumacher sagte dazu: "Ryanair bedroht und setzt mit Jobverlust Arbeitnehmer Existenzängsten aus." Das irische Unternehmen nutze "seine Machtstellung brutal aus". Aber man stehe mit dem Kabinenpersonal zusammen und spüre große Unterstützung aus Bevölkerung und Politik.
Ryanair leidet unter einer Streikwelle, nachdem der Billigflieger seit Monaten erstmals mit Gewerkschaften in mehreren Ländern über Tarifverträge für Piloten und Kabinenbeschäftigten verhandelt, so auch in Deutschland. In Irland und Italien hat sich Ryanair bereits mit den Piloten geeinigt. Das Kabinenpersonal in Italien, Portugal, Belgien, Spanien und den Niederlanden hat dagegen Streiks für Ende September angedroht. Konzernchef O'Leary sagte dazu allgemein, es werde noch eine Weile dauern, bis man zu Abschlüssen mit Gewerkschaften komme.
VERDI KRITISIERT "DESPOTISCHE WILLKÜRHERRSCHAFT"
VC-Experte Schumacher sagte, nun müsse man abwarten, ob sich das Unternehmen für ein verbessertes Angebot entscheide oder ob der Einstieg in eine Schlichtung gelinge. Die Piloten fordern etwa höhere Grundgehälter mit weniger variablen Anteilen und bessere Arbeitsbedingungen. Verdi-Vertreterin Wesenick sagte, man versuche derzeit, einen neuen Verhandlungstermin zu finden. Die Gewerkschaft fordert ein spürbar höheres Entgelt sowie die Einführung eines Basisgehaltes für alle Flugbegleiter und eine Kompensation bei Verspätungen. "Es geht nicht um einen ganz normalen Arbeitskampf", sagte Wesenick. "Es gibt bei Ryanair eine despotische Willkürherrschaft." Denn es mangele beispielsweise an verlässlichen Arbeitsbeziehungen.
An mehreren Flughäfen legten die Beschäftigten die Arbeit nieder und demonstrierten etwa in Berlin-Schönefeld mit Spruchbändern wie "Ryanair must change" ("Ryanair muss sich ändern"). In Frankfurt trugen die Ryanair-Mitarbeiter Banner mit dem Aufdruck "Ryanair - stop squeezing your crew" ("Ryanair - hör auf, Deine Crew auszupressen") und verteilten Zitronen. Offenbar auch aus Angst vor Repressalien verdeckten die meisten Beschäftigten ihr Gesicht mit einem Bild von O'Leary.