Die Ungewissheit für die Mitarbeiter der verlustreichen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann hat angeblich ein Ende: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte die Schlichtung am Montag für "erfolgreich abgeschlossen". 15.000 Arbeitsplätze seien damit gesichert. Viele Detailfragen blieben allerdings offen. Der Betriebsratsvorsitzende von Kaiser's Tengelmann in Berlin warnte vor zu großer Euphorie.
"Verkäuferinnen, Fleischer, Lagerarbeiter, Fahrer, Verwaltungsmitarbeiter und alle anderen Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann können Weihnachten ohne Angst um ihren Arbeitsplatz feiern", sagte Gabriel in Berlin. Die Arbeitsplätze seien für sieben Jahre gesichert.
Tengelmann, Edeka und Rewe hatten sich vor einer Woche auf ein Schlichtungsverfahren unter Leitung von Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verständigt. Das Ergebnis ist nun laut Gabriel ein "Interessenausgleich", dessen finanzielle Bedingungen ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer festlegen solle. Details zum Interessenausgleich nannte der Minister nicht. Er erwarte jedoch "keinen Stolperstein" mehr.
Verhandlungskreisen zufolge gehen die Märkte von Kaiser's Tengelmann in Berlin zum Großteil an Rewe, die in Bayern zum Großteil an Edeka. Eine Abmachung über die Aufteilung der Märkte in Nordrhein-Westfalen steht demnach noch aus.
In Nordrhein-Westfalen betreibt die Tengelmann-Gruppe derzeit noch 105 der gut 450 Filialen. Viele dieser Supermärkte befinden sich im ländlichen Raum - und sind klein und alt. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub hatte kürzlich eingeräumt, dass die Märkte in der Region Nordrhein "in allergrößter Not" seien.
Ein Kaufpreis für die Filialen in Berlin wurde den Verhandlungskreisen zufolge noch nicht vereinbart. Auch gebe es noch keine Einigung, welche Berliner Supermärkte genau an Rewe gehen sollen. Laut einem Bericht der "Welt" soll Rewe Filialen in der Hauptstadt erhalten, die zusammen rund 20 Prozent des Umsatzes von Kaiser's erwirtschaften.
Wie das "Handelsblatt" berichtete, soll die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bis Ende der Woche die Kaufpreise für die Berliner Filialen errechnen. Im Gegenzug habe Rewe-Chef Alain Caparros zugesichert, alle bereits mit Edeka verhandelten tarifvertraglichen Details für diese Filialen zu übernehmen und seine Klage gegen die Ministererlaubnis Gabriels zum Verkauf von Kaiser's Tengelmann an Edeka zurückzuziehen.
Wie das Wirtschaftsministerium mitteilte, soll Rewe "die letzte verbliebene Klage" gegen die Erlaubnis bis zum 11. November zurückziehen. Die beiden anderen Kläger, die Konkurrenten Norma und Markant, haben ihre Klagen bereits zurückgenommen.
Der Betriebsratsvorsitzende von Kaiser's Tengelmann, Volker Bohne, mahnte zur Vorsicht: "Wir waren schon einmal euphorisch", sagte er dem "Tagesspiegel" mit Blick auf eine erste Einigung von Rewe, Tengelmann, Edeka, Markant und Norma vor wenigen Wochen. Der Kompromiss der Supermarktchefs hatte sich dann aber wieder zerschlagen.
Auch jetzt seien "viele Fragen noch offen", sagte Bohne dem Blatt. "Die Berliner Filialen sind erst dann gerettet, wenn es eine Einigung für das gesamte Unternehmen gibt."
Auch DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte, er sei "nach dem ganzen Hin und Her" weiterhin skeptisch. "Wir hatten ja schon mal einen Kompromiss, der hat ganze 24 Stunden gedauert", sagte Hoffmann am Montagabend in der ARD-Sendung "Farbe bekennen".
Verdi-Chef Frank Bsirske dagegen erklärte, es habe sich "letztlich bewahrheitet", dass alle Beteiligten zu einem tragfähigen Kompromiss bereits gewesen seien. Verdi habe darauf gedrungen, nicht aufzugeben, und ohne die Hartnäckigkeit von Gabriel hätte es das Gelingen der Schlichtung nicht gegeben.
Kaiser's Tengelmann schreibt seit 17 Jahren Verluste. Die Tengelmann-Gruppe als Eigentümer möchte sich deshalb von der Kette trennen. Der Kaufvertrag mit Edeka wurde bereits vor zwei Jahren unterzeichnet. Das Kartellamt untersagte die Übernahme, Gabriel genehmigte sie aber unter der Auflage, die Arbeitsplätze mindestens fünf Jahre zu erhalten. Dagegen klagten die Konkurrenten.