Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn wegen des Anfangsverdachts auf Marktmanipulation. Auslöser sei eine Strafanzeige der Finanzaufsichtsbehörde Bafin gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Volkswagen (DE:VOWG) erklärte, die vom Konzern beauftragten Prüfer hätten bisher keine schwerwiegenden Pflichtverletzungen festgestellt.
Dem Vorwurf gegen Winterkorn liegt laut Staatsanwaltschaft der Verdacht zugrunde, dass Volkswagen Investoren und Märkte im Zusammenhang mit dem Dieselskandal "bewusst" zu spät über drohende finanzielle Konsequenzen informiert hat. Die Behörde betonte, dass es sich bislang lediglich um einen Anfangsverdacht handle.
Der Konzern sei der Pflicht zur Veröffentlichung einer sogenannten Ad-hoc-Meldung nach dem Wertpapierhandelsgesetz am 22. September 2015 nachgekommen, erklärte die Staatsanwaltschaft. "Es bestehen allerdings zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Pflicht zu einer Mitteilung über die zu erwartenden erheblichen finanziellen Verluste des Konzerns bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestanden haben könnte."
Neben Winterkorn ermittelt die Staatsanwaltschaft noch gegen ein zweites früheres VW-Vorstandsmitglied - ein Name wurde nicht genannt. Es handelt sich demnach aber nicht um den ehemaligen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch, der im Zuge der personellen Verschiebungen nach Bekanntwerden der Abgasaffäre die Spitze des VW-Aufsichtsrats übernahm.
Volkswagen erklärte, die Mitteilung der Braunschweiger Staatsanwaltschaft "führt keine neuen Tatsachen beziehungsweise Erkenntnisse über eventuelle schwerwiegende Pflichtverletzungen der nunmehr beschuldigten Vorstandsmitglieder an". Bei den vom Konzern veranlassten rechtlichen Prüfungen seien "nach derzeitigem Kenntnisstand keine eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzungen von aktuellen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern festgestellt worden, die einer Entlastung zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstehen würden".
Über die Entlastung stimmt am Mittwoch die Hauptversammlung von Volkswagen ab. Der Aufsichtsrat hat den Anteilseignern empfohlen, den Vorstand zu entlasten, und dies als ein Zeichen des "Vertrauens" bezeichnet. Mit der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat bescheinigen die Anteilseigner den Führungsgremien, das jeweilige Unternehmen ordnungsgemäß und in ihrem Sinne geführt zu haben. Damit ist aber laut Aktiengesetz kein Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche verbunden.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte zu dem neuen Ermittlungsverfahren, eine "zügige Durchführung der Ermittlungen und ein zügiger Abschluss" lägen im allseitigen Interesse. Es sei dabei zu berücksichtigen, dass die Einleitung des Verfahrens "keinerlei Rückschlüsse" auf das Ergebnis zulasse und sich deshalb "vorschnelle Schlussfolgerungen" verböten. Weil sitzt im VW-Aufsichtsrat; dem Land gehören 20 Prozent des Konzerns.
Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig ermittelt wegen der Abgasaffäre bereits seit Ende September unter anderem wegen möglichen Betrugs. Sie ermittelt darüber hinaus seit einigen Wochen auch gegen einen nicht näher identifizierten VW-Mitarbeiter wegen des Verdachts, er habe intern die Unterdrückung von wichtigen Beweisen in Auftrag gegeben.
VW hatte im vergangenen September nach Ermittlungen von US-Behörden eingeräumt, weltweit in rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben. Diese drückte den Schadstoffausstoß bei Emissionstests, damit dieser niedriger erschien.