Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Öl- und Gasaktien aus Europa waren am Freitag gefragt. Grund dafür war die Freude der Anleger darüber, dass die großen Förderländer den Ölhahn zum Jahreswechsel nur leicht öffnen wollen.
Der EURO STOXX Oil & Gas Index stieg um 2,5% auf 256,52 und erreichte damit den höchsten Stand seit den ersten Tagen der Pandemie im März. Integrierte Majors wie BP (NYSE:BP), Royal Dutch Shell (LON:RDSa), ENI (MI:ENI), Total SA (PA:TOTF) und Equinor ASA (OL:EQNR} ) legten alle zwischen 2% und 3,5% zu. Noch stärker nachgefragt waren kleinere unabhängige Unternehmen und Ölfelddienstleistungsfirmen, die vom Preiseinbruch in der Mitte des Jahres am stärksten betroffen waren. Die Aktien von Technip (PA:FTI) stiegen um 6,4%, während die Aktien von Hunting (LON:HTG) und Petrofac (LON:PFC) beide um über 5% zulegten.
Der Sektor hat ein miserables Jahr hinter sich - der Stoxx-Sektorindex ist seit Jahresbeginn um 22% gefallen - aber die Chancen darauf, dass der Sektor nach den Ergebnissen der OPEC-Sitzung bis zum Jahresende einen Großteil seiner Verluste wieder wettmachen kann, nehmen zu. Schließlich beweist der Kompromiss, dass das Ölkartell immer noch in der Lage ist, den Markt durch Konsensbildung zu leiten, anstatt das Überleben des Stärkeren durch einen neuen und zerstörerischen Preiskampf zu erzwingen.
Die so genannte OPEC+ beschloss am Donnerstag, ab 1. Januar täglich 500.000 Barrel mehr zu fördern. Dass die Ölpreise nach der Entscheidung gestiegen statt gefallen sind ist insofern erstaunlich, als die Ölförderländer entgegen den Erwartungen, dass das derzeitige Produktionsniveau für weitere drei Monate "verlängert" werden soll, eine Erhöhung beschlossen haben. Der ungebrochene Konsens und die Vorstellung einer einheitlichen Front zählen eben doch sehr viel.
Das Ölkartell hat aus der Not eine Tugend gemacht. Höhere Preise - Brent ist seit Anfang November, als die Entwicklung des Covid-19-Impfstoffs ein kritisches Stadium erreichte, um mehr als 30% gestiegen - hätten im Jahnuar ohnehin zu einer höheren Produktion geführt. Auch die Verzweiflung vieler Mitgliedsländer, Löcher in ihren Budgets zu stopfen, hätte im Januar zu einer höheren Produktion geführt, unabhängig davon, ob sie genehmigt worden wäre oder nicht. Die OPEC+ hat im Wesentlichen eine geringfügig höhere Förderobergrenze akzeptiert, die respektiert werden dürfte. Mit der gestrigen Entscheidung hat das Förderbündnis seine Glaubwürdigkeit eher gestärkt.
Darüber hinaus einigten sich die OPEC+-Minister darauf, die Fördermengen monatlich zu überprüfen, was die Flexibilität des derzeitigen Rahmens verbessert. Auch das erhöht die Chance, dass die Förderdisziplin auch langfristig Bestand hat. Warum einen Rahmen brechen, der leichter geändert werden kann? Ein solcher Pragmatismus entspringt der Erkenntnis, dass angesichts der enormen noch bestehenden Unsicherheit über die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die Nachfrage noch einige Zeit lang Disziplin erforderlich sein wird. Selbst nach der Feinabstimmung im Januar werden die OPEC+-Mitglieder immer noch 7,2 Millionen Barrel weniger fördern und auf eine Erholung der Nachfrage warten, die langsam, unregelmäßig und letztlich unvollständig ausfallen könnte.
Das ist immer noch ein riesiger Angebotsüberhang, der mehr als 7,5% der derzeitigen weltweiten Nachfrage entspricht. Die Abwärtsrisiken für die Rohölpreise - und für die Ölaktien - sind also nach wie vor vorhanden. Aber eine Entscheidung, die solche Risiken erkennt und sie so geschickt handhabt wie diese, hat nur sehr wenige Nachteile.