Volkswagen (DE:VOWG) kann seine Produktion wieder hochfahren: Nach einem tagelangen Lieferstopp wichtiger Bauteile konnte sich der Autokonzern am Dienstag mit den beiden betreffenden Zulieferern einigen. Die Belieferung werde "kurzfristig" wieder aufgenommen, teilten beide Seiten mit. Der VW-Betriebsrat äußerte sich erfreut.
Die Einigung erfolgte nach stundenlangen Verhandlungen, die am Montag begonnen hatten und sich auch die Nacht hindurch zogen. Zu Details äußerten sich beide Seiten allerdings nicht. "Über die Inhalte der Einigung wurde Stillschweigen vereinbart", hieß es in der gemeinsamen kurzen Mitteilung von Volkswagen und den beiden zur Prevent-Firmengruppe gehörenden Zulieferunternehmen CarTrim und ES Automobilguss aus Sachsen.
Wegen der gestoppten Lieferung von Getriebeteilen und Sitzbezügen hatte Volkswagen in den vergangenen Tagen damit begonnen, die Produktion in mehreren Werken zu drosseln und für die Beschäftigten "Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zu Kurzarbeit" einzuführen. Bis zu 28.000 VW-Mitarbeiter wären bei Andauern des Streits betroffen gewesen.
Die beiden Zulieferfirmen begründeten den Lieferstopp mit einer angeblichen Weigerung von VW, Schadenersatzzahlungen für einem gestrichenen Auftrag zu bezahlen. Nach einem Pressebericht sollte es um Forderungen in Höhe von rund 58 Millionen Euro gehen. Das Landgericht Braunschweig hatte VW in einem Eilverfahren Recht gegeben und ein Ende des Lieferstopps angeordnet, was die unterlegene Seite zunächst allerdings ignoriert hatte.
Ein Sprecher des VW-Gesamtbetriebsrats begrüßte den Durchbruch. "Die Kolleginnen und Kollegen hatten kein Verständnis dafür, dass sie wegen des einseitig verhängten Lieferstopps nicht mehr an ihre Arbeitsplätze gehen konnten", erklärte er.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident und Volkswagen-Aufsichtsratsmitglied Stephan Weil (SPD) äußerte sich erleichtert - übte aber Kritik am Verhalten der Zulieferer. "Es bleibt bei mir ein Unbehagen über das Vorgehen der Prevent Group, die nicht bereit war, den in unserem Rechtsstaat vorgesehenen Weg einer Klärung vor den Gerichten zu gehen. Sie hat stattdessen einen Großkonflikt mit beträchtlichen Schäden eröffnet."
In den Werken in Emden, Wolfsburg, Zwickau sowie Braunschweig hatte VW die Arbeitszeit in Teilen der Fertigung in den vergangenen Tagen bereits reduziert. Betroffen war die Produktion der Modelle Golf und Passat sowie von Fahrwerk- und Kunststoffbauteilen. In Kassel und Salzgitter (DE:SZGG) sollten die Drosselungen am Mittwoch und Donnerstag beginnen.
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer führte die Eskalation des Streits auf massive Veränderungen in der Eigentümerstruktur der klassischen Zulieferindustrie zurück. Er rief die Autobauer auf, sich bei ihrer Einkaufsstrategie darauf einzustellen. Private Finanzinvestoren kauften gezielt schwächere und teilweise marode Zulieferbetriebe auf, um Zulieferernetzwerke zu bilden und so Druck auszuüben, erklärte er.
"Die Zeit der netten Familienunternehmen geht zu Ende." Auf der Gegenseite stünden inzwischen häufig "smarte Investmentbanker, die mit international exzellenten Anwaltskanzleien zusammenarbeiten". VW und andere kämen mit der Strategie der Weitergabe von Kostendruck daher nicht mehr weiter. Nötig sei inzwischen der "Typ Investment-Manager als Einkaufschef", der sich auf komplexes Risikomanagement verstehe.