Volkswagen-Aktionäre, die wegen des Abgas-Skandals auf Schadenersatz klagen, können sich auf ein Musterverfahren einstellen. Das Landgericht Braunschweig teilte am Montag mit, es habe einen sogenannten Vorlagebeschluss gefasst; dies ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren. Zuständig dafür ist das Oberlandesgericht Braunschweig. Das Verfahren wird offiziell aber "frühestens" Ende 2016 beginnen, wie das Landgericht erklärte.
In einem Musterverfahren wählt ein Oberlandesgericht eine beispielhafte Klage von vielen gleich gelagerten Fällen aus, um in diesem Rechtsstreit vorab wichtige Fragen exemplarisch zu klären. Dieser Musterentscheid dient dann in allen anderen Fällen als Vorlage für die unteren Instanzen.
Beim Landgericht Braunschweig sind derzeit 170 Schadenersatzklagen von Anlegern, vor allem von Privatleuten, gegen Volkswagen (DE:VOWG) im Streitwert von knapp vier Milliarden Euro zugelassen. Der größte Teil entfällt auf eine Klage von 277 institutionellen Klägern mit einem Streitwert von insgesamt gut 3,25 Milliarden Euro. Diese Kläger müssen nun, wenn sie nicht darauf verzichtet haben, zunächst der Form halber angehört werden. Dann werden ihre Verfahren bis zur Klärung des Musterverfahrens ausgesetzt und das Oberlandesgericht sucht einen Musterkläger aus.
Das Landgericht Braunschweig nennt in seinem Vorlagebeschluss sogenannte Feststellungsziele, die aus den verschiedenen Anlegerklagen zusammengefasst sind: Es handelt sich um eine 17 Seiten lange Schilderung des Abgas-Skandals seit dem mutmaßlichen Beginn im Jahr 2005. Auch die Argumente von Volkswagen als Beklagtem werden aufgeführt.
Anleger-Anwälte betonten am Montag, nur diejenigen VW-Aktionäre würden von dem Musterverfahren profitieren, die ihre Ansprüche auch gerichtlich geltend gemacht hätten. Dabei sei Eile geboten, da mit der Eröffnung des Musterverfahrens "kaum vor Ablauf der Verjährungsfrist" zu rechnen sei. Diese Frist endet möglicherweise am 18. September, ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals - abschließend ist dies aber noch nicht geklärt.
VW hatte im September vergangenen Jahres nach Ermittlungen von US-Behörden eingeräumt, weltweit in rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben. Diese drückt den Schadstoffausstoß bei Emissionstests. Anleger des Autoherstellers klagen vor Gericht, weil Volkswagen sie ihrer Ansicht nach nicht früh genug über die möglichen finanziellen Risiken durch den Abgas-Skandal informiert hat. Der Aktienkurs von VW war nach dem Bekanntwerden in den Keller gerauscht.