Investing.com – Die neuesten US-Inflationszahlen vom Dienstag vermittelten einen optimistischen Eindruck. Auf Jahresbasis sanken die Verbraucherpreise im Oktober von 3,7 Prozent auf 3,2 Prozent, was mehr war als die erwarteten 3,3 Prozent. Darauf reagierten nicht nur Nasdaq und S&P 500 positiv, sondern auch DAX & Co. Aber die Euphorie an den globalen Aktienmärkten ist alles andere als angebracht.
Das Fed-Ziel von 2 Prozent ist immer noch weit entfernt und die aktuelle Entwicklung hat lediglich die Wahrscheinlichkeit gesenkt, dass es im Dezember zu einer weiteren Zinserhöhung kommt. Von einer Zinssenkung kann noch keine Rede sein, wie Link Securities schreibt:
"Die jüngste Entwicklung der Inflation und des Arbeitsmarktes gibt der Fed unserer Meinung nach Spielraum für eine unveränderte Geldpolitik im Dezember. Solange die Inflation jedoch keine eindeutigen Anzeichen für eine Annäherung an das 2 %-Ziel aufweist, wird die Fed ihre offiziellen Zinssätze auf dem derzeitigen Niveau belassen, woran sich die Anleger zumindest in der ersten Hälfte des Jahres 2024 gewöhnen müssen."
Doch genau das ist es, worauf eifrig spekuliert wird – Zinssenkungen. Laut Renta 4 waren die Inflationsdaten für den Markt so überzeugend, dass dieser eine weitere Zinserhöhung nahezu vollständig ausschloss. Gleichzeitig wurde der Beginn der Zinssenkungen, von denen es 2024 immerhin vier Stück geben soll, von Juli auf Juni vorgezogen.
Das setzt aber auch voraus, dass sich die Inflation weiterhin so positiv entwickelt wie erhofft, und mehr als eine Hoffnung, dass die Teuerungsraten Mitte nächsten Jahres in der Nähe von 2 Prozent liegen, gibt es nicht. Die Zentralbanken haben mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie mit ihren Prognosen danebenliegen.
EZB rechnet mit steigender Inflation
Der stellvertretende EZB-Präsident Luis De Guindos sagte erst am Montag auf der "Euro Finance Week" in Frankfurt, dass die Inflation "noch zu lange zu hoch bleibe". Was das für die Geldpolitik bedeutet, erklärte er ebenfalls. "Wir werden daher dafür sorgen, dass unsere Leitzinsen so lange wie nötig auf einem ausreichend restriktiven Niveau festgesetzt werden."
Somit rechnet die EZB selbst mit keinem Inflationswunder, also einem schnellen Rückgang des Verbraucherpreisanstiegs. Vielmehr geht man davon aus, dass das Gegenteil eintritt, wie Guindos erklärte. Er sprach von einem Wiederanstieg in den kommenden Monaten. Der Grund dafür ist, dass die Basiseffekte der stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise im Herbst 2022 aus den Berechnungen herausfallen.
Dieser Wiederanstieg wird als "vorübergehend" eingeordnet. Eine Bewertung, mit der die Zentralbanken bei ihrer Einschätzung der Inflation im Jahr 2020 schon einmal gehörig daneben lagen.
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Aber selbst wenn das eintreten sollte, werden Zinssenkungen nicht zu der Rallye am Markt führen, auf welche viele Anleger spekulieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Lacalle verwies in seinem jüngsten Youtube-Video darauf, dass ein Großteil der Investoren falsche Vorstellungen davon hat, wie die Situation am Markt ist und was Zinssenkungen bewirken werden. Im Idealfall bremsen letztere den wirtschaftlichen Verfall, wer aber auf sprudelnde Gewinne spekuliert, der dürfte ein böses Erwachen erleben.
Steigende Geldmenge verhindert große Zinssenkungen
Lacalle spricht davon, dass der neue US-Zinssenkungszyklus seinen Höhepunkt bereits im Januar 2025 bei 4,492 Prozent erreicht. Also weit entfernt von den Nullzinsen, welche zu der famosen zehnjährigen Boomphase führten.
Die Analysten verweisen beim Schönreden der Inflation gerne auf die gesunkene Geldmenge, aber die Realität sieht anders aus. In Wahrheit nimmt die Geldmenge sogar zu. Lacalle schreibt:
"Die Geldmenge im System nimmt nicht ab, sondern sie steigt, um das angeschlagene Bankensystem am Leben zu erhalten ... Nach Angaben der Federal Reserve sank die Geldmenge M1 zwischen September 2022 und September 2023 von 20,281 Billionen Dollar auf 18,17 Billionen Dollar und M2 von 21,52 Billionen Dollar auf 20,75 Billionen Dollar. Allerdings stieg die Gesamtverschuldung von 20,3 Billionen Dollar auf 223 Billionen Dollar an. Dabei handelt es sich um die gesamten Anleihen der Federal Reserve, einschließlich der Anleihen aus den "primären, sekundären und saisonalen Kreditprogrammen des Diskontfensters und anderer Anleihen aus den Notkreditfazilitäten".
Und genau das ist der Kern des Problems. Die Finanzwirtschaft wird mit frischem Geld am Leben gehalten, während die Privatwirtschaft und die Verbraucher die volle Wucht der hohen Zinsen zu spüren bekommen. Das verhindert einen schnellen Rückgang der Inflation auf das Ziel von 2 Prozent, und Zinssenkungen haben an den Finanzmärkten nicht annähernd die Auswirkungen wie gedacht. Lacalle sagt:
"In diesem Szenario spielt es keine Rolle, ob die Fed die Zinssätze senkt oder nicht, es sei denn, die Wirtschaft beginnt, ohne nennenswerte Kreditimpulse schnell zu wachsen, was nur schwer vorstellbar ist.
Wenn die Fed beschließt, die Zinssätze zu senken, dann deshalb, weil sie einen erheblichen Rückgang der Gesamtnachfrage feststellt. Dieser Einbruch der Nachfrage würde vollständig aus dem privaten Sektor kommen, da die Staatsausgaben nicht zurückgehen. Die dann veranlassten Zinssenkungen werden Familien und Unternehmen jedoch nicht dazu veranlassen, mehr Kredite aufzunehmen, da sie bereits von geborgtem Geld leben.
Unter diesen Bedingungen ist es nahezu ausgeschlossen, durch Zinssenkungen einen soliden und positiven Kreditimpuls zu erzeugen, wenn die Wirtschaft den Placebo-Effekt der Schuldenanhäufung verliert.
Wenn sich die Fed zu einer Zinssenkung entschließt, werden die negativen Auswirkungen auf die Gewinne und Margen die Märkte wohl kaum in die Höhe treiben, wie viele erwarten.
Fed-Zinssenkungen als treibende Kraft für zahlreiche Wachstumsschübe und steigende Märkte anzusehen dürfte die ultimative Illusion sein."