von Robert Zach
Investing.com - Der Ölpreis bewegt sich im Takt der Lagerhaltungsprobleme. Und dies ist möglicherweise der einzig relevante Faktor, der den Ölpreis derzeit bewegt. Nach der dynamischen Erholungsrallye letzte Woche, ging den Ölhändlern rasch die Puste aus. Die Furcht vor den sich rasch füllenden Öllagern ließ die Preise für das schwarze Gold am Montag zeitweise um 25% einbrechen.
Der United States Oil Fund (NYSE:USO), ein börsengehandelter Fonds, der unter dem Namen USO bekannt und bei Kleinanlegern beliebt ist, beschleunigte seine Risikoverteilung. Der Fonds beschloss kurzerhand, alle seine Positionen im aktivsten West Texas Intermediate Futures-Kontrakt zu verkaufen. Dadurch wurde ein massiver Swing in der Preisbeziehung zwischen den WTI-Frontmonatskontrakten vom Juni und den nahegelegenen Juli-Kontrakten ausgelöst.
Die US-Rohöllagerbestände dürften in zwei Wochen das Rekordhoch von 535 Millionen Barrel aus dem Jahr 2017 übertreffen, sofern die durchschnittliche Wachstumsrate von 16 Millionen Barrel pro Tag in den vergangenen vier Wochen beibehalten wird. Die Lager am wichtigen Anlieferungsort für auslaufende WTI-Kontrakte in Cushing, Oklahoma, könnte in weniger als vier Wochen randvoll sein, vorausgesetzt, der durchschnittliche Lageraufbau von 4,5 Millionen Barrel in den letzten zwei Wochen bestätigt den Trend. Die US-Produktion ist unterdessen in den letzten sechs Wochen um weniger als 1 Million Barrel täglich zurückgegangen und ist von einem Rekordhoch von 13,1 Millionen täglich Mitte März auf 12,2 Millionen Barrel pro Tag in der vergangenen Woche gesunken.
Das ist aber noch nicht alles. Die schwimmenden Lagerstätten für Rohöl haben mit 160 Millionen Barrel ein Allzeithoch erreicht. Goldman Sachs (NYSE:GS) sagt, der globale Markt ist auf Kurs, die Obergrenze der Lagerkapazität in nur drei Wochen zu testen.
"Es gibt Unmengen an Rohöl da draußen, über die der Markt einfach nicht hinwegsehen kann, wenn sich die globalen Lagerzentren füllen", sagte Phil Flynn, Analyst bei der Price Futures Group in Chicago. "Mit Öl befüllte Tanker schwimmen im Ozean, ohne dass es einen Ort gibt, an den man hinfahren kann, und die Produzenten kürzen, aber nicht schnell genug, um den größten Nachfragerückgang in der Geschichte der Welt zu bewältigen".
Der Preis für WTI Öl zur Juni-Lieferung verlor 4,35 Dollar oder 21,66% auf 13,25 Dollar.
Nordseeöl der Sorte Brent sank 1,76 Dollar oder 7% auf 23,05 Dollar.
Aber nicht alles da draußen ist bärisch für den Ölpreis.
Italien, das Land, das vor den Vereinigten Staaten am schlimmsten vom Coronavirus betroffen ist, will nach einem scheinbaren Höhepunkt der Infektionen und Todesfälle durch den Ausbruch ab dem 4. Mai den Lockdown lockern. Auch New York, das US-Epizentrum der Pandemie, will Teile seiner Wirtschaft wieder öffnen, nachdem mindestens ein halbes Dutzend der 50 US-Bundesstaaten ihre Maßnahmen gelockert haben. Der Dow reagierte darauf mit einem Anstieg von mehr als 1%.
Und die Produktionskürzungen stehen vor der Tür. Die mit großer Vorfreude erwarteten Förderkürzungen der OPEC und ihrer globalen Bündnispartner beginnen offiziell am Freitag. Die GLOPEC-Vereinbarung hat sich verpflichtet, mindestens 9,7 Millionen Barrel pro Tag zu drosseln. Kuwait, der viertgrößte Produzent der OPEC, sagt, dass es bereits vor der Gruppe mit den Kürzungen begonnen hat. Nigeria auch, denn es gibt einfach keine Möglichkeit, Öl zu fördern. Die US-Förderer haben innerhalb von sehs Wochen 305 Bohrlöcher stillgelegt und damit technisch gesehen 45% der operativen Schieferförderung aufgegeben.
Die russische Industrie erwägt sogar, Öl zu verbrennen. Dies sei der schnellste Weg, um die Überversorgung zu stoppen, so Quellen gegenüber Reuters.
Unternehmensseitig legt BP (LON:BP) am Dienstag seine Quartalsergebnisse vor, Shell (DE:RDSa) (LON:{6593|RDSa}}) am Donnerstag und ExxonMobil (NYSE:{XOM) am Freitag, und alle sind bereit, die Investitionsausgaben zu kürzen.
Doch all dies ist vielleicht nicht schnell genug in einer Welt, die zwischen 20 Millionen und 30 Millionen Barrel pro Tag an Nachfrage verliert. Die Zeit drängt, und sie ist im Moment nicht auf der Seite des Öls.
Und das belastet den WTI-Kontrakt zur Juni-Lieferung, der bis Juli mit einem Contango oder Abschlag von etwa 6 Dollar pro Barrel gehandelt wird. Das Open Interest am Spotmarkt ist in der vergangenen Woche um fast 255 Millionen Barrel gefallen. Am Montag lag es um rund 25 Millionen Barrel unterhalb der des Juli-Kontrakts.
Das sich verlagernde Open Interest signalisiert, dass die Investoren es vorziehen, in einem "sichereren" Kontrakt zu sein, der auf einem überversorgten Markt garantiert, Öl eher später als früher zu beziehen.
Es ist auch ein Zeichen dafür, dass mit dem nahenden Auslaufen des WTI-Juni-Futures in weniger als drei Wochen der Frontkontakt erneut ins Negative fallen könnte - genau wie der Mai-Kontrakt, der letzten Mittwoch auslief.
In der Änderungsmitteilung vom Montag sagte der USO ETF, dass man aufgrund neuer Limits, die von den Regulierungsbehörden und Brokern auferlegt worden seien, das Geld in Kontrakte zwischen Juli 2020 und Juni 2021 verschieben werde. Dadurch weitete sich die Spanne zwischen WTI-Juni und Juli erheblich aus, was zu einem neuen Ziel für Spekulanten geworden ist.
"Der 'Wert' für WTI ist heute ein ganz anderer als noch vor einem Monat. WTI, war vor einem Monat im Vergleich zu allem anderen sehr teuer und ist heute viel fairer bewertet als noch vor einem Monat", sagte Scott Shelton, Energie-Händler bei IPAC in Durham, N.C. "Aber ich bin noch nicht bereit, jetzt Long zu gehen, da es noch nicht 'billig' genug ist".
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