- von Howard Schneider und Reinhard Becker
Washington/Berlin (Reuters) - Angesichts des Zollstreits und der schwächelnden Weltwirtschaft steuert die US-Notenbank Fed auf die erste Zinssenkung seit der Finanzkrise zu.
Fed-Chef Jerome Powell nährte am Mittwoch bei einer Anhörung vor dem Kongress Spekulationen an den Märkten, dass sie Ende des Monats die geldpolitischen Zügel lockern wird. Die Fed stehe bereit, "angemessen zu handeln", um nachhaltiges Wachstum zu sichern, erklärte Powell vor dem Ausschuss für Finanzdienstleistungen des Repräsentantenhauses. Die Aussicht auf eine baldige Senkung sorgte zwischenzeitlich für ein Kursfeuerwerk an der Wall Street.
An den Märkten gilt eine Zinssenkung um einen Viertel Prozentpunkt am 31. Juli praktisch als ausgemachte Sache. 2018 hatte die Fed den Schlüsselsatz vier Mal angehoben - zuletzt im Dezember auf die Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent, bevor sie eine Pause einlegte.
Die mit dem Handelskonflikt und der schwachen Weltwirtschaft verbundene Unsicherheit laste weiter auf dem Konjunkturausblick, warnte Powell. Hinzu komme die Gefahr, dass sich die gedämpfte Inflation noch hartnäckiger halten könne als erwartet und sich somit nicht als vorübergehendes Phänomen erweise. Die US-Notenbank sei fest entschlossen, an ihrem Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent festzuhalten. "Wir sind dem stark verpflichtet", betonte der Fed-Gouverneur. Aus Kontakten in die Wirtschaft ergebe sich für die Fed der Eindruck, dass sich Investitionen "spürbar verlangsamt" hätten und das Wirtschaftswachstum ein mäßigeres Tempo angeschlagen habe.
"DEUTLICHES SIGNAL"
Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner sprach von einem "deutlichen Signal" für eine baldige Leitzinssenkung. Volkswirt Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank verweist darauf, dass Powell vor dem Ausschuss selbst den zuletzt guten Arbeitsmarktbericht relativierte, indem er rasch auf die Handelskonflikte verwies: "Letztlich ließ er damit keinen übergeordneten positiven Grundtenor hinsichtlich des weiteren Konjunkturverlaufs zu. Damit wurde verbal der rote Teppich für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte Ende Juli ausgerollt."
Die US-Wirtschaft hatte zu Jahresbeginn zwar mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate von 3,1 Prozent kräftig zugelegt. Die meisten Experten gehen aber davon aus, dass sich das Wachstum im Frühjahr abgekühlt haben dürfte. Zur Eintrübung könnte auch der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Zollkonflikt mit China beitragen.
Powell sah sich auch kurz vor seinem Auftritt vor dem Kongress mit Forderungen aus dem Weißen Haus nach einer Zinssenkung konfrontiert. Die letzte liegt mehr als zehn Jahre zurück - im Dezember 2008. Trump hat der Fed immer wieder vorgeworfen, mit zu hohen Zinsen den Aufschwung zu gefährden. Er hält die unabhängigen Währungshüter für ahnungslos. Die Angriffe Trumps auf die Notenbank gipfelten in der Aussage des US-Präsidenten, dass er Powell degradieren könne.
Powell will in diesem Fall aber standhaft bleiben. Auch falls Trump ihn dazu auffordern sollte, werde er nicht abtreten, betonte er vor dem Ausschuss. Das Gesetz sehe ein vierjähriges Mandat für den Fed-Chef vor: "Ich beabsichtige voll und ganz es zu erfüllen", sagte Powell und bekräftigte damit nahezu wortgleich eine frühere Aussage.