Es war für Ölinvestoren gewiss ein Schock, als die Märkte in den letzten Tagen deutlich gebebt haben. Selbst mit Sorten wie Brent und WTI ging es ein weiteres Mal bergab. Zwischenzeitlich notierten kurzfristige Kontrakte auf die Sorte West Texas Intermediate sogar negativ. Kein Mensch will scheinbar gegenwärtig das Schwarze Gold haben.
Das führt kurzfristig zu einer wichtigen Erkenntnis, die alle Akteure in diesem Markt derzeit besitzen sollten: Die Lager sind voll. Kurzfristig will niemand Öl kaufen oder haben. Das wiederum sorgt für Probleme bei Ölkonzernen wie Royal Dutch Shell (DE:RDSa) (WKN: A0ER6S), BP (LON:BP) (WKN: 850517) und Co. die zwar weiter fördern, aber wenig dankbare Abnehmer finden.
Eine Fragestellung, die helfen kann, etwas mehr Perspektive zu finden, ist die folgende: Wo werden die Ölmärkte wohl in zehn Jahren stehen? Ein interessanter Blickwinkel, der durchaus einige Chancen offenbaren könnte, obwohl kurzfristig weiterhin die Unsicherheit obsiegt.
Der Blick in die Glaskugel Generell ist eine solche Prognose natürlich immer mit einem Quäntchen Vorsicht zu genießen. Mit Sicherheit können wir schließlich niemals vorhersagen, wie sich Märkte entwickeln. Allerdings gibt es einige grundlegende Trends, die es dabei zu berücksichtigen gilt.
So ist beispielsweise die Nachfrage aus einem langfristigen Blickwinkel heraus weiterhin wachsend. So rechnet das Statistikportal „Statista“ beispielsweise damit, dass die Gesamtnachfrage nach dem Schwarzen Gold in den kommenden zehn Jahren auf 108,3 Mio. Barrel pro Tag klettern wird. Ein stetes, moderates Wachstum, zumal im Börsenjahr 2018 noch eine Nachfrage von ca. 98 Mio. Barrel pro Tag der Alltag gewesen ist. Das Volumen, das die Weltwirtschaft benötigen wird, könnte entsprechend weiter zunehmen.
Sicher, das mag in der aktuellen Zeit schwer vorstellbar sein. Allerdings befinden wir uns gegenwärtig in einer extremen Lage. Die Nachfrage ist schließlich eingebrochen in einer Zeit, in der das Angebot signifikant erhöht worden ist. In den kommenden Jahren könnte sich diese extreme Entwicklung wieder begradigen. Zumal in besseren, wirtschaftlichen Zeiten und in Phasen des Wachstums Öl noch immer ein tragender Rohstoff ist.
Die Nachfrageseite befindet sich somit in einem steigenden Trend, selbst wenn es in diesem Jahr zu weniger Abnahme kommen wird. Allerdings ist das Coronavirus als Ausnahme zu werten und entsprechend in einem langfristigen Blickwinkel zu berücksichtigen.
Das Angebot könnte signifikant sinken Gleichzeitig könnte allerdings das Angebot von Erdöl in den kommenden Jahren oder auch im nächsten Jahrzehnt bedeutend sinken. Auch das ist in der aktuellen Phase, in der einige Ölförderer die Produktion bedeutend hochgefahren haben und jetzt drosseln müssen, schwer vorstellbar. Jedoch dürfte es zwei Treiber geben, die hier einen negativen Effekt haben.
Einerseits fahren viele Förderer jetzt ihre Investitionen zurück. Das bedeutet, dass weniger in den Ausbau nachhaltiger Förderquellen fließt, während Jahr für Jahr Ölquellen versiegen. Das Angebot könnte alleine dadurch zukünftig geringer ausfallen. Zumal die Gefahr der Unterinvestitionen auch bereits in der letzten Ölpreisschwemme zwischen den Jahren 2014 und 2016 diskutiert worden ist.
Andererseits könnte es in der aktuellen Phase jedoch auch einige Pleiten geben. Insbesondere die US-Schieferölindustrie scheint sehr anfällig für Insolvenzen zu sein, wobei Whiting Petroleum bereits als Erster in eine wirtschaftliche Schieflage gerutscht ist.
Die Angebotsseite könnte daher aus einem langfristigen Blickwinkel heraus einen kräftigen Schlag erhalten. Sicher, auf einige Jahre ist eine stete Förderung zwar relativ sicher. Weniger Investitionen und Insolvenzen können jedoch eine Gefahr für den Energiebedarf der Zukunft darstellen. Das gilt es hier ebenfalls zu berücksichtigen.
Von einem Extrem ins nächste? So unwahrscheinlich sich das jetzt auch anhören mag, aber der Ölmarkt könnte zumindest in den kommenden zehn Jahren von einem Extrem ins nächste abdriften. Derzeit existiert ein Überangebot, das zu weniger Investitionen und Insolvenzen führt. Dabei steigt die Nachfrage aus einem langfristigen Blickwinkel heraus ebenfalls weiter an. Die Folge? Weniger Angebot, aber in wirtschaftlich solideren Zeiten mehr Nachfrage.
Sicher, in Anbetracht der hohen Förderquoten und Lagerbestände wird über kurz oder lang keine Knappheit eintreten. Aber generell könnten aus einem langfristigen Blickwinkel heraus auch wieder andere und bessere Zeiten auf Ölkonzerne wie Royal Dutch Shell und BP warten. Zeiten, in denen das Schwarze Gold begehrt ist. Und weder verschenkt wird noch zu teuer ist.
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Vincent besitzt Aktien von Royal Dutch Shell. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2020