- von Andreas Rinke und Thorsten Severin
Berlin (Reuters) - In der SPD sorgt der vorgesehene Wechsel an der Parteispitze von Martin Schulz zu Andrea Nahles für Debatten.
"Es kann nicht sein, dass man sich austauscht unter vier oder sechs oder acht Augen und sagt: Wer macht was, sondern es muss ein geordnetes Verfahren geben", sagte die Parteilinke Hilde Mattheis am Montag. Auch die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle, warnte im MDR vor einem überstürzten Wechsel an der Parteispitze. Dagegen stellten sich Generalsekretär Lars Klingbeil und der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, hinter Nahles. Laut einer Insa-Umfrage für die "Bild"-Zeitung stürzen CDU/CSU auf 29,5 und die SPD auf 16,5 Prozent.
SPD-Präsidium und -Vorstand wollen am Dienstag in Berlin zusammenkommen. Klingbeil sagte bei einem Facebook-Auftritt, dabei solle ausgewertet werden, wie es nach dem angekündigten Rückzug von Schulz vom Parteivorsitz und seinem Verzicht auf das Außenamt weitergehen solle. Anschließend werde man schnell informieren. In der Partei hieß es, es könne sein, dass Nahles den Parteivorsitz bereits am Dienstag geschäftsführend übernehme. Dies hänge aber von der Entscheidung der Gremien ab. Neben der Personaldiskussion geht es bei den Sozialdemokraten auch um die Informationskampagnen der Gegner und Befürworter der Groko. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids über die Bildung einer großen Koalition soll am 4. März vorliegen.
SPD WILL PERSONALDISKUSSION EINDÄMMEN
SPD-Generalsekretär Klingbeil unterstützte Schulz' Vorschlag, dass Nahles auch den Parteivorsitz übernimmt. "Wenn wir mit Andrea Nahles eine Parteivorsitzende bekommen, die nebenbei Fraktionsvorsitzende ist, dann garantiert das auch, dass die SPD in einer Regierung sichtbar bleibt", sagte Klingbeil auf NDR Info. Nahles sei jung genug, um für eine Dekade die Partei zu prägen, sagte der SPD-Politiker Schneider der "Thüringer Allgemeinen". Zudem stehe dann eine Frau an der Spitze, "die dank ihrer beiden wichtigen Ämter machtvoll und unabhängig" sei. Schneider forderte ein Ende der Personaldebatten: "Die Lage ist zu ernst für Machtspiele und Eitelkeiten." SPD-Vize Ralf Stegner verlangte im ZDF ein Ende der "Disziplinlosigkeit" in der Partei.
Mattheis kritisierte bei RadioEins vor allem das Verfahren. Gerade angesichts des Mitgliedervotums sei es wichtig, dass auch Personalentscheidungen "in einem transparenten Verfahren in der Partei entschieden" würden. Die Personaldebatte hatte eine erneute Diskussion über eine Urwahl für den Posten des SPD-Vorsitzes ausgelöst. Familienministerin Katarina Barley zeigte sich dafür offen, während die SPD-Vizes Stegner und Thorsten Schäfer-Gümbel dies kritisch sehen. Klingbeil zeigte sich bei Facebook (NASDAQ:FB) ebenfalls generell aufgeschlossen für Urwahlen und berichtete von guten Erfahrungen in Niedersachsen. Er werde bis zum Reformparteitag im Dezember prüfen, inwieweit ein solches Instrument auf Bundesebene infrage komme. Man brauche hier noch Zeit. Fest stehe: "Wir wollen die Basis stärker einbinden."
Der SPD-Fraktionschef in Thüringen, Matthias Hey, befürchtet durch die Personaldiskussionen einen langfristigen Schaden für seine Partei. Das Außenbild, das die SPD zeichne, könne sich noch auf die nächsten fünf bis zehn Jahre auswirken, sagt er MDR Aktuell. "In Thüringen ist die Stimmung in Bezug auf das, was sich in Berlin abgespielt hat, nicht auf Terrassenhöhe, sondern eher unten im Keller."
UNION STREITET ÜBER FINANZMINISTERIUM
In der CDU äußerten sich die meisten Politiker zufrieden mit der Ankündigung von Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel, noch vor dem Sonderparteitag am 26. Februar eine Liste der CDU-Minister vorzulegen. Dazu gehörten der Junge-Unions-Vorsitzende Paul Ziemiak und EU-Kommissar Günther Oettinger. "Jeder Regierungschef in einem deutschen Land hat die Befähigung, auch Deutschland zu regieren", sagte Oettinger im Deutschlandfunk mit Blick auf die Debatte über Merkels Nachfolge.
Er wies zudem die Kritik des CDU/CSU-Wirtschaftsflügels zurück, das Finanzressort an die SPD abgegeben zu haben. "Das Ressort war auch schon 2005 bei Herrn Steinbrück, und wir haben vier Jahre mit ihm eine sehr gute Finanz- und Haushaltspolitik machen können", sagte er mit Blick auf den früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück in Merkels erster Amtszeit. "Das Finanzministerium nicht in Unionshand zu haben, ist ein fataler Fehler - das wird sich noch rächen", sagte dagegen der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach im Bayerischen Rundfunk.