Die Rohölpreise scheinen sich erholt zu haben, nachdem der Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien eine Preisspitze Mitte September verursacht hatte. Unmittelbar nach dem Angriff vor gerade mal zweieinhalb Wochen erreichte Brent ein 4-Monatshoch von 69,02 USD. Bis zum 2. Oktober fiel der Brent-Preis dann unter 58,66 USD - genau das gleiche Niveau, mit dem er exakt einen Monat zuvor den Handel am 2. September begonnen hatte.
Es bleiben offene Fragen bezüglich der Fähigkeit Saudi-Arabiens, seine Kunden mit bestimmten nachgefragten Rohölsorten zu beliefern, doch insgesamt hat der Markt die Auswirkungen des Angriffs auf die globale Ölversorgung abhakt. Tatsächlich drücken Fundamentalindikatoren allesamt die Preise nach unten.
1. Nachfrageprognosen nach unten revidiert
Die Internationale Energieagentur (IEA) plant ihre Prognosen für das Wachstum der Ölnachfrage nach unten zu revidieren. Am Dienstag sagte der IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol Bloomberg, dass die Organisation derzeit nur noch ein Nachfragewachstum von 1,1 Millionen Fass am Tag (bpd) vorhersagt - und damit weniger als die 1,4 Millionen bpd, als in der Prognose vom Mai 2019 - und dass diese Vorhersage wahrscheinlich nochmal nach unten revidiert werden dürfte.
Es gibt weitere Gründe zur Sorge, als die Konjunktur im verarbeitenden Gewerbe in den USA auf ein 10-Jahrestief gefallen ist, wie eine Unternehmensumfrage vom Institute for Supply Management (ISM) am Dienstag zeigte. Eine Abkühlung im verarbeitenden Gewebe hat negative Folgen für die Ölnachfrage.
2. Geopolitische Spannungen im Persischen Golf
Obwohl Saudi-Arabien den Iran für die Angriffe auf seine Ölanlagen in Abqaiq und Khurais verantwortlich machte, scheinen die Spannungen zwischen den beiden Ländern eher abzunehmen. Der Sprecher des iranischen Parlaments ist offen für die Idee, einen Dialog mit Saudi-Arabien aufzunehmen und Diplomatie militärischen Maßnahmen vorzuziehen, um "sicherheitspolitische Probleme" zu lösen.
Kronprinz Mohammed bin Salman sagte in einem 60 Minuten langen Interview, auch er unterstütze "eine politische Lösung" mit dem Iran. Inzwischen hat der iranische Ölminister Bijan Zanganeh den saudischen Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman (einem Halbbruder von Kronprinz Mohammed bin Salman) als "Freund seit über 22 Jahren" bezeichnet. Die Beziehung zwischen den beiden Ölministern begann, als sie auf einer Energiekonferenz in Moskau die Bühne teilten.
Während kurzfristig keine persönlichen Gespräche zwischen Saudi-Arabien und dem Iran oder den USA und dem Iran zu erwarten sind, haben sich die Spannungen verringert. Vor zwei Wochen sprachen Experten über die Möglichkeit eines Kriegsausbruchs und über eine mögliche Beteiligung der USA an einem gewaltsamen Konflikt am Persischen Golf. In kurzer Zeit hat sich die Atmosphäre verändert und die Ölpreise reagieren entsprechend.
3. Überproduktion in Russland und dem Irak
Russland fördert weiterhin zu viel als ihm nach seiner OPEC+-Produktionsquote zusteht. Nachdem sich die Russen bereit erklärt hatten, die Produktion zu verringern, um eine Einhaltung ihrer Quote von 11,17 Millionen bpd bei der Tagung der OPE+-Minister im September melden zu können, enthüllen die neueste Daten, dass Russland die Produktion nur geringfügig von 11,29 Mio. bpd auf 11,25 Mio. bpd reduzierte, aber behauptet, es werde im Oktober seine Verpflichtungen vollständig erfüllen.
Der Irak überproduziert Berichten zufolge ebenfalls, nachdem er noch eine Verminderung der Förderung zugesagt hatte, um seine OPEC-Quote vom September einzuhalten. Während Argus meldete, dass der Irak die Produktion auf seinem Majnoon-Ölfeld um 75.000 bpd gedrosselt hat, berichtete S&P Global Platts, dass das Land 370.000 bpd mehr produzierte, als ihm nach seine OPEC-Quote erlaubt ist. Wie die Russlands Produktionssenkung im September war die des Iraks ebenfalls symbolischer Natur und keine wesentliche Beschränkung des Angebots. Ein neues Thema, mit dem man sich im Bezug auf den Irak beschäftigen muss, sind die aufkommenden Proteste gegen Korruption und den Iran.
4. Amerikanische Öl- und Benzinproduktion
Der Rückgang des Öls wurde auch vom EIA-Report aus dieser Woche verstärkt, der zeigte, dass die US-Rohölvorräte letzte Woche um 3,1 Mio. Fass gestiegen sind. Der Raffinerieausstoss ging um fast 500.000 bpd zurück. Mit Beginn der Raffinerie-Wartungssaison in den USA waren diese Zahlen zu erwarten. In der vergangenen Woche hatte es schon einen ähnlichen Aufbau der Lagerbestände und geringere Durchsatzzahlen aus den Raffinerien gegeben.
Allerdings tragen ungeplante Ausfälle in mehreren kalifornischen Raffinerien ebenfalls zu einer geringeren Raffinerieauslastung und höheren Lagerbeständen an Rohöl bei, berichtete GasBuddy.
Fazit
Mit Blick auf die Zukunft werden einige dieser Faktoren den Ölpreis mit größerer Wahrscheinlichkeit belasten als andere. Die düsteren Wirtschaftsdaten werden weiterhin die Schlagzeilen beherrschen und die Prognosen für die Ölnachfrage in 2019 drücken, sofern es im Oktober keine positive Überraschung bei den Handelsverhandlungen zwischen den USA und China gibt.
Geopolitisch gesehen bleibt der Persische Golf ein potenzieller Konfliktherd, doch es ist ebenso wahrscheinlich, dass die Spannungen weiter nachlassen, statt zu eskalieren. OPEC und OPEC+ werden sich Anfang Dezember erneut treffen und obwohl die Produktionsquoten bis März feststehen, werden sie möglicherweise versuchen, tiefere Einschnitte vorzunehmen. Eine uneingeschränkte Einhaltung der Vorgaben, insbesondere durch Russland und den Irak, dürfte nach wie vor Wunschdenken bleiben. Die niedrigen Raffinerieauslastungszahlen aus den USA sind für die Saison üblich und sollten wie gewohnt temporärer Natur sein.