In Zeiten, in denen die Inflation so hoch steht wie seit Jahrzehnten nicht mehr, richtet sich der Fokus der Investoren zunehmend auf die Realrenditen und Realerträge. Es erscheint mir daher durchaus angebracht, auch einen anderen Aspekt etwas genauer zu beleuchten: die reale Dividendenrendite des S&P 500.
Und die Ergebnisse sind nicht nur interessant, sondern auch etwas anders als gedacht. Zieht man von der Dividendenrendite des S&P den aktuellen Stand des Verbraucherpreisindex ab, so zeichnet sich ein großes Problem für den Aktienmarkt ab.
Die Dividendenrendite des S&P 500 nähert sich selbst ohne Berücksichtigung der Inflationsrate einem Rekordtief. Solche Niveaus wurden seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr registriert. Wenig überraschend ergibt sich aus der Bewertung des S&P 500 der gleiche Schaum am Markt, betrachtet man nur das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Aktienindex.
Erstaunlich ist aber, was aktuell mit der Dividendenrendite des S&P 500 passiert, wenn man sie um den Verbraucherpreisindex bereinigt.
Die "reale" Dividendenrendite des S&P 500 liegt derzeit bei -4,9 % und damit auf dem niedrigsten Stand seit Oktober 1981. In der Regel erreicht die reale Dividendenrendite nicht solche niedrigen Niveaus. In der jüngeren Vergangenheit war sie nur in den Jahren 1974 und 1980 noch niedriger. Danach betrug sie nie mehr weniger als -3,1 %. Das liegt daran, dass jedes Mal, wenn die um den Verbraucherpreisindex bereinigte Dividendenrendite unter -2,5 % fällt, der S&P 500 eine massive Marktkorrektur durchläuft, die zu einem drastischen Renditeanstieg führt.
In den Jahren 1990, 2000 und 2008 fiel die reale Dividendenrendite auf -2,7 %, -2,6 % bzw. -3,1 %. Was dann geschah, war alles andere als schön.
Vom Sommer 1990 bis zum Herbst fiel der S&P 500 um fast 20 %. Von März 2000 bis Oktober 2002 brach der Aktienindex um mehr als 47 % ein. Und von August 2008 bis März 2009 stürzte der S&P 500 über 46 % ab.
Auch 1973 und 1974 erging es dem Markt nicht besser, als der S&P 500 ebenfalls um mehr als 48 % absackte. 1980 setzte der Rückgang erst ein Jahr später ein, doch dann verlor der S&P 500 fast 26 %.
Einzig und allein im Jahr 2005 setzte kein massiver Ausverkauf ein, als die reale Dividendenrendite auf -2,5 % oder noch tiefer fiel.
Jedes Mal, wenn die reale Dividendenrendite drastisch abgefallen ist, geschah dies wegen einer extrem hohen Inflation und einer Rezession in den USA. Genau das war möglicherweise auch der Grund, warum der Markt im Jahr 2005 nicht korrigierte, denn damals gab es ja auch noch keine Rezession. In allen anderen Fällen hingegen herrschte eine Rezession, zu deren Ausbruch die gestiegenen Verbraucherpreise einen entscheidenden Faktor leisteten.
Dass der S&P 500 diese derzeit extrem niedrige reale Dividendenrendite hinnimmt, ohne mit der Wimper zu zucken, liegt wohl auch daran, dass sich die Anleger immer noch an das Narrativ klammern, dass die Inflation nur vorübergehend ist und nicht zum Dauerzustand verkommen wird. Sobald die Investoren aber endlich begreifen, dass die Inflation nicht nur ein temporäres Phänomen ist, könnte dies zu Ängsten vor einer möglichen Rezession führen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, ob uns eine Rezession ins Haus steht. Das US-Wachstum war im dritten Quartal zwar viel schwächer als befürchtet, doch gibt es erste Indizien dafür, dass sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal wieder deutlich erholt hat.
Sollte sich die Inflation als hartnäckiger erweisen und zu einer schweren Rezession führen, droht dem Aktienmarkt eine steile Korrektur, so wie es in der Vergangenheit immer der Fall war.