Kaum korrigierte der DAX nach einer gefühlten Ewigkeit erstmalig in dieser Woche wieder ein wenig, ließ sich sofort leichte Panik unter den Anlegern feststellen. In diversen Börsenmedien war nach dem Kursverlust vom Dienstag von „Höhenangst“ der Anleger zu lesen. Und nicht nur in Marktberichten war von derartigem Anlegerverhalten zu lesen, sondern auch an uns wendeten sich plötzlich einige Leser, die entweder auf einen fallenden DAX oder auf ein Anziehen der Volatilität setzen wollten.
Angst ist kein Nährboden für stärkere Korrekturen
Dies ist (leider) kein Umfeld, in dem eine starke Korrektur stattfinden kann. Die Baisse (Bärenmarkt bzw. Abwärtstrend) stirbt in der Panik, die Hausse (Bullenmarkt bzw. Aufwärtstrend) in der Euphorie – so lautet eine Weisheit an der Börse, die sehr häufig zutreffend ist.
Kursverluste wurden mühelos wieder aufgeholt
Da die Anleger angesichts des scheinbar unaufhaltsamen Anstiegs im DAX jüngst durchaus leicht euphorisch wurden und man immer höhere Kursziele lesen konnte, war zwar eine Voraussetzung für starke Kursverluste gegeben, doch weil die Anleger offenbar bereits bei kleinsten Rücksetzern sofort panisch wurden, war damit die mögliche Baisse bzw. eine stärkere Korrektur im Keim erstickt. Entsprechend schnell konnte der DAX seine Verluste von Dienstag und Mittwoch (rote Markierung im Chart) auch wieder aufholen.
Ab jetzt fließt die EZB-Liquidität auch in Staatsanleihen
Und Mario Draghi trug dazu bei, dass sogar neue Allzeithochs markiert werden konnten. Denn er teilte auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung des EZB-Rates am Donnerstag mit, dass ab dem 9. März insgesamt 60 Milliarden Euro in den Markt gepumpt werden – und zwar jeden Monat bis September 2016 – insgesamt also 1.140 Milliarden Euro. Wobei die Summe längst bekannt war, nicht jedoch der genaue Starttermin.
Neue Projektionen zum Wirtschaftswachstum und zur Inflation
Auch sonst gab es von Draghi wenig Neues zu erfahren. Lediglich die folgenden Informationen waren zuvor nicht bekannt:
- Die EZB erhöht die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2015 in der Eurozone von 1,0% auf 1,5%, für 2016 von 1,5% auf 1,9% und erwartet 2017 ein Wirtschaftswachstum von 2,1%.
- Die EZB senkt die Prognose für die Inflation 2015 von 0,7% auf 0,0%, erhöht die Schätzung aber für 2016 von 1,3% auf 1,5% und erwartet 2017 eine Inflation von 1,8%.
- Diese Projektionen setzen eine volle Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen voraus.
- Es werden auch Staatsanleihen mit negativer Rendite gekauft, solange deren Rendite über dem Niveau des Einlagesatzes (-0,20 %) liegt.
- Griechische Staatsanleihen werden weiterhin nicht als Sicherheit für EZB-Kredite akzeptiert. Auch Anleihen aus Zypern, die unterhalb des Bonitätsbereichs „Investment Grade“ bewertet werden, sollen nicht gekauft werden.
Alles andere, was auf der Pressekonferenz bekanntgegeben und besprochen wurde, war bereits bekannt. So zum Beispiel auch, dass die Anleihekäufe so lange fortgesetzt werden, bis man einen nachhaltigen Wechsel der Inflationsentwicklung in Richtung der mittelfristigen Zielgröße von „unter, aber Nahe 2%“ sieht.
Die Gesamtsumme, also die 1,14 Billionen Euro, entsprechen auf Jahresbasis übrigens 7,5% des BIP der Eurozone, womit das Programm noch größer angelegt ist, als die 5,7% der US-amerikanischen Fed.
Bislang erzielte die EZB überschaubare Erfolge
Die Europäische Zentralbank hat die Hoffnung, dass die Banken den monatlich wachsenden Geldberg via Kreditvergabe an die Realwirtschaft weiterleiten. Bislang wollte sich in dieser Sache kein Erfolg einstellen, weil die Banken das zur Verfügung gestellte Geld bisher offensichtlich lieber am Aktienmarkt oder in Staatsanleihen parkten und so dicke Kursgewinne einsackten. Entsprechend schleppend blieb die Kreditnachfrage – im Januar sank sie in der Euro-Zone um 0,1% gegenüber dem Dezember (wir berichteten bereits).
Viele Fragen sind noch offen
Es stellt sich daher die Frage, ob weitere Milliarden etwas am bisherigen Verhalten ändern können. Zumal der Begriff KreditNACHFRAGE ja eigentlich nicht auf die Vergabepolitik der Banken und damit auf das Kreditangebot abstellt, sondern auf den Bedarf bzw. das Verhalten der Unternehmen. Solange diese keine sinnvollen bzw. lohnenswerten Investitionsmöglichkeiten sehen, werden sie auch keine Kredite nachfragen.
Und während das Volumen und der Zeitraum des EZB-Plans inzwischen bekannt sind, stehen Details zur genauen Aufteilung und zum Verfahren der Wertpapierkäufe noch aus. Der Kapitalmarkt mit dem größten Volumen ist der Markt für Staatsanleihen, aktuell rund 6,5 Billionen Euro schwer. Doch mit den 60 Mrd. Euro monatlich sollen nicht nur auf Euro lautende Wertpapiere des öffentlichen Sektors angekauft werden, sondern auch der Erwerb von Asset-Backed Securities (ABS) und gedeckten Schuldverschreibungen, mit dem bereits in 2014 begonnen wurde, soll fortgeführt werden. Wie werden die 60 Mrd. Euro also verteilt? Es ist lediglich bekannt, dass die EZB im Bereich der Staatsanleihenkäufe für jede Nation Gelder in Höhe des Beitrags des jeweiligen Landes zum Gesamtkapital der EZB bereitstellen wird.
Erlebt der Bund Future „ein zweites Japan“?
Für den Bund Future jedenfalls sehen wir weiterhin schwarz. Im Falle Japans sanken die zehnjährigen japanischen Renditen kurz nach der Ankündigung des erweiterten Zinssenkungsplans der Notenbank zunächst noch auf ein Rekordtief, doch dann haben sie sich innerhalb von fünf Wochen mehr als verdoppelt. Auch Japans Währungshüter hatten sich unklar geäußert, was sie kaufen.
Anleger hatten sich im Vorfeld Bestände zugelegt, um sie an die japanische Notenbank zu verkaufen, fanden in ihr aber dann keinen Abnehmer. Daher mussten sie die Wertpapiere am Markt abstoßen, was zu Kursverlusten führte - und das hat den Markt noch mehr in Panik versetzt.
Es ist kein Crash am Anleihenmarkt zu erwarten
Eine Panik bzw. gar einen Crash am Markt für Staatsanleihen in der Eurozone erwarten wir allerdings nicht. Denn die EZB hatte bereits auf einer der vorangegangenen Sitzungen die Rate für ihre gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) auf fünf Basispunkte abgesenkt. Dadurch können sich die Banken der EU-Krisenländer Geld für den Zeitraum von vier Jahren zu einer Rate von 5 Basispunkten leihen, und dieses dann dazu verwenden, um die Staatsanleihen ihrer jeweiligen Regierungen aufzukaufen. Dies ist ein ziemlich sicheres Geschäft, was sie sich wohl nicht entgehen lassen werden.
Wenn nun aber sowohl die Geschäftsbanken als auch die EZB als Käufer am Markt auftreten, dann stellt sich lediglich die Frage, ob die EZB überhaupt genug Wertpapiere aufkaufen kann, um ihr Volumenziel zu erreichen.
Fazit
Sie sehen, es gibt sowohl Argumente für zukünftig weiter steigende Kurse, es gibt aber auch Argumente für eine Korrektur. Die Liquiditätsflut der EZB spricht sicherlich für weiterhin hohe Notierungen. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, sowohl im Falle der USA als auch für Japan, dass die Kurse lediglich im Vorfeld stark anstiegen. Als die Notenbanken dann tatsächlich aktiv wurden, gingen die Kurse zumindest in den darauffolgenden Wochen tendenziell zurück (Korrektur).
Diese Überlegungen machen es einem Anleger derzeit unglaublich schwer. Soll man nun auf weiter steigende Kurse setzen oder die Schäfchen aus Angst vor einer Korrektur ins Trockene bringen?
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 08.03.2015)