Die Finanzmärkte haben immer mit Unsicherheiten und Risiken zu tun – das gehört zum Geschäft. In den letzten Wochen hat sich diese Herausforderung allerdings deutlich verschärft, seit die USA ihre langjährige Handelspolitik geändert haben. In den kommenden Tagen dürfte es deshalb erneut zu starken Stimmungsschwankungen kommen, denn die Anleger stehen vor einer neuen Runde komplexer und schwer kalkulierbarer Risiken.
Ein erster Eindruck davon, wie sich der Handelskonflikt auf die Erwartungen für die Weltwirtschaft auswirkt, kommt schon morgen (Di, 22. Apr.): Dann veröffentlicht der IWF seine aktualisierten Wachstumsprognosen. IWF-Chefin Kristalina Georgieva hat in der vergangenen Woche bereits einen kleinen Ausblick gegeben, was auf die Märkte zukommt.
„Unsere neuen Wachstumsprognosen werden deutliche Abschläge beinhalten – aber keine Rezession“, sagte sie am Donnerstag. „Wir werden auch die Inflationsprognosen für einige Länder nach oben anpassen und darauf hinweisen, dass die anhaltend hohe Unsicherheit das Risiko von Spannungen an den Finanzmärkten weiter erhöht.“
Bloomberg Economics kommentierte das Ganze mit einer gewissen Skepsis:
„Die Prognosen des IWF tendieren in potenziell einschneidenden Krisen häufig zu Optimismus. In vier großen Krisen, die wir untersucht haben, wurden die direkten Auswirkungen auf das globale Wachstum in der ersten Einschätzung des Fonds im Schnitt um 0,5 Prozentpunkte unterschätzt. Egal, wie stark die aktuellen Prognosen gesenkt werden – die Geschichte zeigt, dass es oft noch schlimmer kommt.“
Zu diesem ohnehin angespannten Umfeld kommt eine weitere Unsicherheitsquelle hinzu: Präsident Trump hat in der vergangenen Woche Andeutungen gemacht, dass er Fed-Chef Powell möglicherweise entlassen möchte.
„Die Märkte sind ohnehin schon nervös wegen der zunehmenden geopolitischen Spannungen. Jetzt wächst auch noch die Sorge, dass Trump sich stärker in die Arbeit der Fed einmischen könnte“, sagte Charu Chanana, Chief Investment Strategist bei Saxo in Singapur. „Politischer Druck auf die Geldpolitik könnte die Unabhängigkeit der Fed infrage stellen und die künftige Zinspolitik zusätzlich verkomplizieren – dabei sehnen sich die Anleger inmitten der globalen Volatilität gerade nach Stabilität.“
Ein weiterer Punkt, der die Märkte beschäftigen dürfte, sind die Nebenwirkungen der neuen US-Handelspolitik. Jüngste Entwicklungen zeigen: China hat angekündigt, Länder mit Vergeltungsmaßnahmen zu belegen, wenn deren Regierungen Abkommen mit den USA treffen, die Pekings Interessen verletzen.
„Eine Politik der Beschwichtigung führt nicht zum Frieden, und durch Kompromisse gewinnt man keinen Respekt“, erklärte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums. „China lehnt jede Einigung ab, die auf Kosten seiner Interessen geht. Sollte es zu solchen Abmachungen kommen, wird China sie nicht akzeptieren und konsequent reagieren.“
Ein möglicher Marktimpuls in dieser Woche kommt auch aus den USA: Die erste Schätzung der Umfragedaten zur Wirtschaftslage im April wird veröffentlicht. Laut der Konsensprognose von Econoday.com dürfte sich die leichte Schwäche im verarbeitenden Gewerbe aus dem März im April weiter verschärft haben. Der Dienstleistungssektor hingegen scheint weiter zu wachsen – allerdings deutlich langsamer als zuletzt.
Eine der Fragen, die die Märkte in dieser Woche besonders beschäftigen dürfte, ist, ob die sinkenden Zustimmungswerte von Präsident Trump politischen Druck erzeugen – und womöglich zu einem Kurswechsel führen.
Eine neue Umfrage von CNBC zeigt jedenfalls eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung – vor allem mit Blick auf Trumps Umgang mit Zöllen, Inflation und den Staatsausgaben.
In der landesweiten Befragung von 1.000 Amerikanerinnen und Amerikanern gaben 44 % an, mit Trumps Amtsführung zufrieden zu sein, während 51 % sie ablehnen. Das ist zwar etwas besser als die letzten Zustimmungswerte von 2020, als er das Amt verließ – doch der Blick auf die wirtschaftliche Kompetenz fällt für Trump deutlich negativer aus: Nur 43 % bewerten seine Wirtschaftspolitik positiv, 55 % lehnen sie ab. Damit weist er in dieser Kategorie erstmals während seiner Amtszeit in einer CNBC-Umfrage eine negative Bilanz auf.
Eine andere Perspektive wirft der Anleihemarkt auf: Manche Analysten gehen davon aus, dass steigende Renditen Trump unter Druck setzen könnten, seine Zollpolitik zu überdenken. Der mehrere Billionen Dollar schwere Markt für US-Staatsanleihen gilt als eine Art „Live-Umfrage“, die das globale Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität der USA widerspiegelt.
Im Kern geht es dabei um die Fähigkeit der USA, das hohe Haushaltsdefizit weiterhin zu finanzieren – ein großer Teil davon hängt von der Nachfrage internationaler Investoren ab. Immerhin halten ausländische Investoren rund 30 % aller ausstehenden US-Staatsanleihen.
Das Risiko liegt auf der Hand: Sollten sich internationale Investoren zurückziehen und US-Anleihen in größerem Umfang verkaufen, könnten die Renditen stark ansteigen. Die Folge wären deutlich höhere Zinskosten – was den ohnehin belasteten US-Haushalt zusätzlich unter Druck setzen würde.
Vor diesem Hintergrund rückt die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen in den Fokus – sie ist vermutlich der wichtigste Marktindikator in den kommenden Tagen.
Vergangene Woche lag sie bei 4,33 % – ein im Vergleich zur letzten Entwicklung eher mittleres Niveau. Nun wird spannend sein zu beobachten, ob sich in den kommenden Tagen ein klarer Trend abzeichnet.
„Die allgemeine Unsicherheit war selten so groß – am Ende werden aber der US-Anleihemarkt und der USD darüber entscheiden, wohin uns diese Zollpolitik führt“, sagte David Folkerts-Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank (ETR:DBKGn) in der vergangenen Woche.
„Wenn beide – also Anleihen und Dollar – weiter unter Druck geraten, steigt der Druck auf die US-Regierung, einen großen Teil ihrer jüngsten Maßnahmen wieder zurückzunehmen. Sollte sich die Lage hingegen stabilisieren, dürfte sie an ihrem Kurs festhalten und den Weg der weitreichenden Veränderungen weiterverfolgen.“