Die Rückkäufe von Aktien aus dem S&P 500® stiegen im Jahr 2018 um 50 Prozent auf ein Allzeithoch von mehr als 800 Milliarden US-Dollar, wobei zwei Drittel des Anstiegs um rund 270 Milliarden USDollar im Vergleich zum Vorjahr allerdings auf lediglich zehn Aktien aus dem S&P 500® zurückzuführen sind. Das hohe Volumen von Aktienrückkäufen hat eine neue Diskussion über die Verwendung von Unternehmensgeldern ausgelöst. Was sind die Motive von Unternehmen, die Aktien zurückkaufen? Wir blicken auf den ausführlichen Beitrag von Goldman Sachs (NYSE:GS). Anleger greifen als Basisinvestment beim S&P 500 zum Index-Tracker mit der WKN GS0J0A oder beim DowJones zur WKN GS0J06.
Welche Auswirkungen haben Rückkäufe auf Arbeitnehmer, Unternehmen, die Wirtschaft und den Markt? Bei den gegen Aktienrückkäufe gerichteten Bedenken geht es im Kern darum, dass die Rückgabe von Bargeld an Aktionäre Investitionen und damit Innovationen einschränke. Dies wiederum schade den amerikanischen Arbeitern, die eigentlich einen größeren Gewinn als die Aktionäre der Unternehmen erzielen sollten. Auch das Bezahlen von Führungskräften mit Aktien führe zu falschen Anreizen und motiviere die Führungskräfte dazu, mit Rückkäufen die Aktienkurse anzuheben – unabhängig von den Nachteilen für Mitarbeiter, für das zukünftige Wachstum des Unternehmens oder für die Wirtschaft. Wenn man sich allerdings die Zahlen ansieht, sind die gegen Aktienrückkäufe vorgebrachten Argumente aus Sicht der Portfoliostrategen von Goldman Sachs nicht stichhaltig.
Selbst wenn Unternehmen eine große Menge an Barmitteln an ihre Aktionäre zurückgeben, liege dennoch eine beträchtliche Reinvestition vor. Die Wachstumsinvestitionen hätten bei Unternehmen aus dem S&P 500® seit mindestens 1990 einen größeren Anteil an den Geldaus – gaben als die Rendite der Anteilseigner, wobei die größten Aktienrückkäufer die Marktdurchschnittswerte bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Investitionen weit übertreffen.
BESSER ALS SCHLECHTE INVESTITIONEN
Darüber hinaus hätten Führungskräfte, die scheinbar am meisten von Rückkäufen profitieren könnten, weil ihre Vergütung direkt vom Gewinn je Aktie abhängt, im Jahr 2018 keinen größeren Anteil der gesamten Ausgaben für Rückkäufe verwendet als jene Führungskräfte, deren Gehalt nicht an den Gewinn je Aktie gebunden war. Die eingangs wiedergegebene Kritik an Rückkäufen trifft deshalb auch im Kreis der ökonomischen Wissenschaft auf Widerspruch. Aktienrückkäufe müssten nicht zu Lasten von Investitionen gehen. Große, reife Unternehmen gäben damit Bargeld an die Aktionäre zurück und ließen so einen produktiveren Einsatz der Geldmittel zu. Als Resultat ergebe sich nicht, dass Unternehmen insgesamt weniger investieren. Vielmehr investierten stattdessen andere Unternehmen – mit womöglich besseren Wachstumschancen. Was wiederum die Arbeitnehmer angeht, so sei zu befürchten, dass die Einschränkung von Aktienrückkäufen dazu führen könne, dass Unternehmen schlechte Investitionen tätigen und auf diese Weise ihre Wettbewerbsfähigkeit schädigen.
Diese Fehlinvestitionen könnten wiederum Arbeitnehmern schaden, da die betroffenen Unternehmen letztendlich gezwungen wären, weniger zu zahlen, weniger zu beschäftigen oder ihre Belegschaft insgesamt zu reduzieren. Zugespitzt lautet die These sogar, dass ein Verbot von Rückkäufen ironischerweise höchstwahrscheinlich den Führungskräften der Unternehmen (die den Luxus hätten, auf Bargeld zu sitzen) und den Bankern (die Gewinne ernten, wenn die Führungskräfte stattdessen Akquisitionen betreiben) zugutekomme und gleichzeitig den Arbeitnehmern schaden könne.
FOLGEN FÜR DIE WIRTSCHAFT
Des Weiteren stellt sich die Frage nach den möglichen Folgen eines Verbots von Rückkäufen für Unternehmensgründungen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die allgemeine Wirtschaft. Ein solches Verbot, so lautet die Befürchtung, könnte zu einer ineffizienten Ressourcenzuteilung führen, die letztendlich die Gesamtgröße des wirtschaftlichen „Kuchens“ verringern würde. Und da jüngere und kleinere Unternehmen insbesondere für Arbeitnehmer am unteren Ende der Einkommensverteilung wichtige Arbeitgeber sind, könnte die Folge sein, dass ältere, größere Unternehmen eine ungleiche Verteilung des „Kuchens“ und damit Einkommensungleichheiten verstärken könnten, wenn sie Geld horten. Stattdessen sei es am besten, die „Torte“ zu vergrößern und zu verteilen, um ein günstiges Umfeld für Unternehmensgründungen zu schaffen. Diese Rahmenbedingungen sollten eine Vereinfachung der Steuergesetze, eine Reduzierung der Einschränkungen und Regelungen am Arbeitsmarkt sowie eine Überarbeitung der lokalen und staatlichen Vorschriften in Bereichen beinhalten, die heute ein komplexes und kostspieliges Geschäftsumfeld schaffen.
AUSWIRKUNGEN AUF DEN MARKT
Die in der laufenden Diskussion wichtigste Frage für Aktieninvestoren ist: Wie würde der Aktienmarkt ohne Aktienrückkäufe aussehen? In Anbetracht der Zahlen lautet die wenig beruhigende Antwort wohl: niedrigeres Wachstum des Gewinns je Aktie, geringeres Kurs- und Indexwachstum sowie eine höhere Marktvolatilität. Aktienrückkäufe waren seit 2010 die größte Quelle der US-amerikanischen Aktiennachfrage und lagen durchschnittlich bei 421 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Im Vergleich dazu betrug die durchschnittliche jährliche Aktiennachfrage von privaten Haushalten, Investmentfonds, Pensionsfonds und ausländischen Investoren in diesem Zeitraum jeweils weniger als 10 Milliarden US-Dollar. In einer Welt ohne Rückkäufe dürfte es daher zu einer signifikanten Verschiebung der Angebots-Nachfrage-Struktur für Aktien kommen. Was würde das für die Aktienmärkte bedeuten?
GERINGERER GEWINN PRO AKTIE
Aus fundamentaler Sicht würde sich der Wegfall von Rückkäufen negativ auf das Wachstum des Gewinns pro Aktie auswirken, da Rückkäufe den Gewinn pro Aktie steigern, indem die Anzahl der ausstehenden Aktien reduziert wird. In den vergangenen 15 Jahren betrug die Differenz zwischen dem Wachstum des Gewinns je Aktie und dem Gewinnwachstum eines durchschnittlichen Unternehmens aus dem S&P 500® durchschnittlich 260 Basispunkte (11 Prozent gegenüber 8 Prozent). Im Jahr 2018 betrug der Spread 200 Basispunkte (20 Prozent gegenüber 18 Prozent). Die Analysten von Goldman Sachs schätzen, dass in einer Welt ohne Rückkäufe das Wachstum des Gewinns je Aktie 250 Basispunkte niedriger liegen könnte.
NIEDRIGERE INDEXNIVEAUS
Bei einem Verbot von Rückkäufen würde zudem ein signifikantes Instrument der Kursunterstützung wegfallen. In der sogenannten Blackout-Periode, vier Wochen vor der Veröffentlichung der jeweiligen Quartalsergebnisse, dürfen Unternehmen bereits heute keine eigenen Aktien zurückkaufen. Die Entwicklungen während dieser Zeiträume geben einen guten Einblick, wie sich ein grundsätzliches Verbot von Rückkäufen auswirken könnte. In den vergangenen 25 Jahren betrug die Rendite des 20. Perzentils für Aktien des S&P 500® in den Blackout-Perioden durchschnittlich –27 Prozent (annualisiert), verglichen mit –16 Prozent, wenn Unternehmen ihre Aktien frei zurückkaufen können.
Zudem war die Volatilität während der Blackout-Perioden höher als zu anderen Zeiten. Durch ein Verbot oder eine Begrenzung von Rückkäufen würden daher Aktienkurse mit hoher Wahrscheinlichkeit sinken, die Handelsspannen würden sich ausweiten. Insgesamt könnte ein Verbot oder eine Einschränkung von Aktienrückkäufen als einer der größten Faktoren der Aktiennachfrage die Nachfragekurve von Aktien erheblich nach unten verschieben, wenn andere Anleger die unternehmensseitigen Käufe nicht zu aktuellen Preisen ersetzen können, was eher unwahrscheinlich ist. Wegfallende Aktienrückkäufe hätten daher aus Sicht von Aktieninvestoren einen erheblich negativen Einfluss.
Quelle: Goldman Sachs, eigene