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Die japanische Zentralbank hat in dieser Woche die Märkte überrascht. Die Notenbanker gaben ihre Strategie der Zinskurvensteuerung auf – endlich, wie viele Ökonomen meinen. Was bedeutet die Kehrtwende in der japanischen Geldpolitik?
Die Bank of Japan ließ verlauten, die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen in einem Korridor von bis zu 0,5 % halten zu wollen. Zuvor lag die Obergrenze bei 0,25 %. Die Zentralbank verfolgt damit eine Zinskurvenstrategie, bei der die Zinssätze für bestimmte Laufzeiten durch Käufe der Zentralbank de facto festgelegt werden.
Die Funktionsweise: Sinkt der Kurs einer japanischen Anleihe soweit, dass die Rendite das vorgegebene Niveau überschreitet, tritt die Zentralbank als Käufer auf und treibt den Kurs wieder nach oben, bis die Rendite im gewünschten Korridor liegt.
Zinskurvensteuerung gilt als gescheiterte Strategie
Die Zinskurvensteuerung war auch in den USA kurz erwogen worden. Die Reserve Bank of Australia setzte während der Pandemie eine eigene Version um. Insgesamt gilt die Strategie jedoch als gescheitert. Das Problem: Märkte beginnen früher oder später, gegen die Politik der Zentralbank zu wetten.
Dies ließ sich auch in Japan beobachten. Anleger glaubten nicht daran, dass die Zentralbank ihren Kurs noch lange durchhalten könnte. Der Grund: Die hohe Inflation, die – gemessen an einer Art Kerninflation – bei 3,6 % und damit für japanischen Verhältnisse ausgesprochen hoch liegt. Die Marktteilnehmer gingen davon aus, dass die BoJ die Obergrenze für die zehnjährige Rendite anheben musste – und zwangen die Zentralbank so, riesige Mengen Staatsanleihen zu kaufen.
Wenn eine Zentralbank immer weiter Staatsanleihen kauft, stößt sie irgendwann an eine natürliche Grenze: Die Menge der verfügbaren Staatsanleihen. Die BoJ besitzt mittlerweile mehr als die Hälfte aller japanischen Staatsanleihen. Ein Festhalten an der Rendite von 0,25 % hätte weiterhin Käufe im großen Umfang notwendig gemacht.
Aus genau diesem Grund hatte die australische Zentralbank die Zinskurvensteuerung als geldpolitische Strategie hat acta gelegt. Auch dort wurde rasch klar, dass die Zentralbank früher oder später nahezu den gesamten australischen Anleihemarkt hätte aufkaufen müssen.
Yen steigt – Energieimporte werden günstiger
Dass die Marktteilnehmer der BoJ ein dauerhaftes Festhalten an ihrer Strategie nicht zutrauten, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des japanischen Yen. Dieser erreichte im Oktober mit 150 JPY pro Dollar den tiefsten Stand seit Jahrzehnten. Seitdem ging es jedoch wieder deutlich aufwärts. Aktuell notiert japanischen Währung bei rund 132 JPY pro Dollar.
Die Ankündigung der BoJ hat dazu einen wesentlichen Teil beigetragen. Vor der Bekanntgabe der geldpolitischen Kehrtwende wurden noch 137 JPY pro Dollar gezahlt – einen Tag später dann nur noch 131. Dennoch hatte der Yen bereits zuvor erheblich aufgewertet.
Der gestiegene Yen dürfte die Inflation in Japan dämpfen – schließlich werden dadurch in USD gehandelte Energieimporte für den japanischen Markt günstiger.
„Kontrollverlust“ der Zentralbank
Von einer geldpolitischen Straffung will die Notenbank dennoch nicht sprechen. BoJ-Gouverneur Haruhiko Kuroda teilte am Dienstag mit, dass die Zentralbank weiterhin von der Notwendigkeit einer äußerst lockeren Geldpolitik überzeugt sei. Nur diese könne Japans Wirtschaft vor einem „dritten verlorenen Jahrzehnt“ bewahren.
Auch diese Auffassung wird allerdings durch immer mehr Ökonomen nicht mehr geteilt. Kritiker verweisen auf das Phänomen von Zombie Unternehmen, die nur in einem Umfeld extrem niedriger Zinsen überleben können und unter einer zu niedrigen Produktivität leiden. Es ist gut möglich, dass die Märkte auf weitergehende Lockerungen spekulieren und die Notenbank damit unter Zugzwang setzen.
Ein Kommentar im Wall Street Journal Editorial sieht die Entwicklung als Warnung an andere Zentralbanken. Die letzten 15 Jahre hätten viele geldpolitische Experimente wie Negativzinsen, quantitative Lockerung, Forward Guidance und Zinspreiskontrollen hervorgebracht.
Bei Notenbankern sei dadurch die Illusion einer größeren Kontrolle über die Wirtschaft entstanden – auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Der Kontrollverlust der japanischen Notenbank sei eine Warnung: Zwingt eine Zentralbank die Märkte zu Wetten gegen sich selbst, gewinnen oft die Märkte.