Wir leben vielleicht in einem Zeitalter der "relativen" Wahrheiten - aber ich bleibe bei meinen alten Gewohnheiten und ziehe harte Daten der in manchen Kreisen zunehmenden Vorliebe für die "kreative Umgestaltung" von Tatsachen vor.
Ein Beispiel dafür sind die Behauptungen über die Energieproduktion der USA, die in der Debatte der republikanischen Vorwahlen am Mittwoch ein heißes Thema waren. Glaubt man den Behauptungen der Kandidaten, so ist die Energieproduktion der USA unter der Regierung Biden stark zurückgegangen. Der ehemalige Vizepräsident Mike Pence unterstrich dies mit der Aussage
"Eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Regierung war, dass wir in nur wenigen Jahren Energieunabhängigkeit erreicht haben", sagte Pence. "Vom ersten Tag an hat Joe Biden der Energie den Krieg erklärt."
Er fügte hinzu:
"Wir werden Staatsbesitz erschließen, wir werden amerikanische Energie freisetzen. Wir werden eine Strategie für alles haben, was mit Energie zu tun hat."
Die weniger subtil formulierte Schlussfolgerung lautet in etwa wie folgt: Es bedarf einer radikalen Kehrtwende, um den dramatischen Rückgang der US-Energieproduktion umzukehren. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus, wenn man sich nur einmal die tatsächlichen Zahlen auf Basis der Daten der US EIA anschaut.
Die wöchentliche Rohölproduktion stieg bis zum 22. September 2023 auf 12,9 Millionen Barrel/Tag. Für diejenigen, die mitzählen, bedeutet dies einen Anstieg um 18 % seit Bidens Amtsantritt am 20. Januar 2021 und damit eine deutliche Umkehr gegenüber dem Rückgang während der Pandemie.
Die jüngste Fördermenge liegt immer noch unter dem Rekordwert von 13,1 Mio. Barrel für die Woche bis 2020, allerdings nur geringfügig. Sollte sich der jüngste Trend fortsetzen, können wir noch vor Jahresende mit einem neuen Rekordhoch rechnen.
Man könnte argumentieren, dass die derzeitige Erholung der Fördermengen nicht ausreicht und dass die Regierung noch aggressiver vorgehen könnte - was manche als die "drill, baby, drill"-Politik bezeichnen. Aber die Behauptung, dass Amerika seine Fähigkeit aufgegeben hat, durch heimische Produktion energieunabhängig zu sein, erfordert einen extremen intellektuelle Gedankensprung, der auf der Jagd nach einem alternativen Narrativ einfach die Zahlen ignoriert.
Tatsächlich spricht vieles dafür, dass die Biden-Regierung trotz ihrer Polemik über eine grüne Energiepolitik viel zu langsame Fortschritte bei der Einschränkung der Produktion fossiler Brennstoffe in den USA macht, von einer echten Umkehr wollen wir gar nicht sprechen. Die Zahlen unterstützen diese Erkenntnis. Die derzeitige Politik der Republikaner (GOP) fördert diese Sichtweise jedoch zumindest nicht.
So wies der kalifornische Demokrat Gavin Newsom in der Diskussionsrunde der GOP-Talkshow am Mittwoch auf den Anstieg der Energiepreise in den USA hin, als der Fox-News-Moderator und Republikaner Sean Hannity behauptete: "Wir waren unabhängig von Energie, und jetzt sind wir es nicht mehr". Newsom antwortete richtig: "Wir sind heute energieunabhängiger - das ist eine Tatsache, schauen Sie sich die Zahlen an." Und Newsom hat recht.
Doch Hannity blieb hartnäckig und behauptete fälschlicherweise, "Joe Biden habe [die US-Energieproduktion] einseitig abgerüstet". Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Zum Glück sind Fakten ziemlich hartnäckig, zumindest für diejenigen, die die Realität verstehen wollen.