Auf knapp 7,5 Mio. Feinunzen wird die globale Nachfrage nach Platin 2023 geschätzt. Dies liegt ungefähr im Trend der vergangenen 15 Jahre. Doch nun taucht am Horizont ein neuer Nachfrager auf: Die Produktion von grünem Wasserstoff. Das ist Wasserstoff, der durch erneuerbare Energien gewonnen wird. Bei der sogenannten Elektrolyse wird Wasser mithilfe von Elektrizität in Wasserstoff- und Sauerstoff zerlegt.
Elektrolysekapazität: Von 1 GW auf 205 GW in 2030?
Und hier – so zitiert etwa "The Northern Miner" Michael Widmer, Rohstoffstratege bei Bank of America (NYSE:BAC) Global Research, steht ein rasanter Wachstumsschub bevor. Laut Widmer könnte sich die weltweite Elektrolysekapazität jährlich verdoppeln und bis 2030 möglicherweise 205 Gigawatt erreichen. 2022 waren es weniger als 1 GW.
Doch es geht nicht nur um die Produktionskapazität, sondern auch um die angewandten Verfahren. In der von geringen und häufig eher Forschungszwecken dienenden Vergangenheit standen nickelhaltige alkalische Wasserelektrolyseure (AELs) im Vordergrund. Mit dem nicht zuletzt durch Subventionen und Regulierung ausgelösten Boom bei der Elektrolyse gewinnen jedoch platinintensiver Protonenaustauschmembran-Elektrolyseure (PEMs) an Bedeutung. PEMs machen derzeit 32 % aller Elektrolyseanlagen weltweit aus.
Sollten PEMs bis 2030 die dominierende Methode zur Wasserstoffproduktion werden, wird dadurch die jährliche Nachfrage nach Platin der BoA zufolge um 778.000 Feinunzen steigen. Dieser Wert gilt für die derzeitig geplante Elektrolyse-Pipeline. Sollten die Kapazitäten an die sogenannten Net-Zero-2050-Ziele angepasst werden, könnte die Platinnachfrage laut BoA sogar um gut 2,4 Mio. Feinunzen pro Jahr steigen. Die Gesamtnachfrage würde damit im Vergleich zum laufenden Jahr um etwa ein Drittel anziehen.
China dominiert Produktion von Elektrolyseuren
Bei der Produktion von Elektrolyseuren liegt China mit einem Marktanteil von 55 % vorn. Auf Europa und die USA entfallen 40 % der weltweiten Produktionskapazität. In Deutschland etwa gibt es große Ambitionen: Das Elektrolysekapazitätsziel für 2030 wurde von ursprünglich 5 GW auf 10 GW angehoben. In Europa soll zudem bis 2030 ein Wasserstoffpipelinenetz von etwa 33.000 km Länge entstehen, das bis 2040 auf 58.000 km ausgebaut werden soll.
Auch im Verkehrssektor könnte Platin künftig unerwartet stark nachgefragt werden. In diesem Jahr steht die Automobilbranche für gut 40 % der gesamten Platinnachfrage und damit rund 3 Mio. Feinunzen. Sinkt irgendwann die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, werden in diesem Bereich auch weniger Katalysatoren benötigt, die Platin (und Palladium und Rhodium) enthalten.
Aber: Lau BoA sind platinintensive PEM-Brennstoffzellen die einzige kommerziell realisierbare Technologie für Brennstoffzellenfahrzeuge. Die Nachfrage aus diesem Bereich könnte bis 2030 auf 140.000 Feinunzen steigen.
Platinpreis weit von Allzeithoch entfernt
Der erwartete Rückgang der Nachfrage nach Platin aus dem klassischen Kfz-Bau trifft also auf steigende Nachfrage aus anderen Bereichen. Kurzfristig dürfte dies den Platinpreis nicht treiben, weil das Wachstum in den neuen Sektoren erst 2027 richtig an Fahrt gewinnt. Langfristig wären Elektrolyse und Brennstoffzellen aber ein stabilisierendes Element, sollte die BoA Recht behalten.
Aktuell werden für eine Feinunze Platin am Markt 973 USD gezahlt. Damit liegt der Preis weit entfernt von den Hochs im Vorfeld der Weltfinanzkrise, als rund 2.250 USD gezahlt worden waren.