von Pauline Thomas
Was ist gerade geschehen?
Es war weithin erwartet worden, dass das britische Parlament die Vorlage von Premierministerin Theresa May für den Austritt aus der EU (der Brexit) ablehnen würde, aber dass dies mit einer Mehrheit von 230 Stimmen geschah, markiert einen historischen Verlust für die Premierministerin.
Sofort nach der Abstimmung kündigte Oppositionsführer Jeremy Corbyn einen Misstrauensantrag gegen die Regierung an. Sollte dieser Erfolg haben, dann würde dies zu schnellen Neuwahlen führen und das Pfund abstürzen lassen, als Ergebnis der Unsicherheit am Markt.
Der Misstrauensantrag wird heute noch im Parlament eingebracht werden, dürfte aber nicht durchkommen, da er anscheinend nicht genügend Unterstützung genießt. Ein zweiter Misstrauensantrag gegen die Premierministerin durch ihre eigene Partei ist nicht möglich, da diese schon im Dezember mit einem solchen keinen Erfolg gehabt hatte.
Nach dieser Niederlage, sind hier die Handlungsmöglichkeiten aufgeführt, die dem Vereinigten Königreich noch bleiben, nur 72 Tage bevor die Frist für den Brexit am 29. März abläuft.
Plan B
Theresa May hat bis zum Montag, dem 21. Januar, Zeit, um zum Parlament mit einer ‘Plan B’ Version ihres Brexit-Deals zurückzukehren. Angesichts der Tatsache, dass ihr Team 18 Monate gebraucht hatte, um den Abkommensentwurf in seiner jetzigen Form auszuhandeln, scheint es wenig wahrscheinlich, dass sie in den kommenden Tagen eine Vereinbarung zu einem völlig anderen Deal zustande bekommen. Insbesondere ein, die die 200+ Parlamentarier zufriedenstellen kann, die am Dienstag gegen Plan A gestimmt hatten.
In seiner gegenwärtigen Form wird Plan B wahrscheinlich nicht durchs Parlament kommen. Wir erwarten nicht, dass er völlig anders als die abgelehnte Vereinbarung ist und glauben auch nicht, dass die EU sich von ihrer Position wegbewegen wird.
Plan B-2
Eine Option, die parteiübergreifende Unterstützung erhalten könnte, ist, Änderungsanträge zum derzeitigen Vertragsentwurf zu unterbreiten. In ihrer Rede nach der Abstimmung, beruhigte May (ein paar) der Ängste am Markt, als sie sagte, sie habe nicht die Absicht, bis zum Austrittsdatum ‘das Ergebnis über die Zeit zu bringen’. Sie würde in der Tat parteiübergreifend Unterstützung suchen, um einen Abkommensentwurf für die EU auf die Beine zu stellen.
Wir werden in den kommenden Tagen sehen, ob das Parlament in der Lage zu sein scheint, eine brauchbare Lösung zu finden und einen geordneten Brexit vor dem offiziellen Austrittsdatum zustande zu bekommen.
Diese Situation wäre positiv für die britischen Märkte und sollte das Pfund nach oben schicken. Allerdings, bei einer Marge von 230 Stimmen in direkter Opposition zu Mays gegenwärtigem Deal, scheint dies schwierig, da das Parlament den Vertragstext komplett neu ausarbeiten müsste.
Harter Brexit (Kein Abkommen)
Eine Abstimmung im Unterhaus in der letzten Woche, um dem Parlament mehr Befugnisse über die Staatsfinanzen zu geben, in dem Fall, dass ein harter Brexit kommt, zeigte, dass die Mehrheit der Abgeordneten wünscht, diese Variante zu vermeiden.
Beide, die EU und Großbritannien, sehen ‘keinen Deal’ als das schlimmstmögliche Szenario an, etwas, das auf alle Fälle vermieden werden soll. Dennoch, als die Zeit abläuft und wir uns auf das Austrittsdatum ohne eine klare Lösung der Brexit-Frage zubewegen, ist die Realität, dass das Vereinigte Königreich aus dem Block fliegen könnte, ohne das ein Vertrag für die Zeit danach existiert.
Analysten von ING sagten voraus, dass das Pfund auf 1,12 USD fallen und der EUR/GBP Kurs fast Parität erreichen wird, sollte kein Deal zustande kommen.
Verschiebung des Brexit: Verlängerung von Artikel 50
Eine Verschiebung des Brexits ist keine einfache Sache. Die EU-Staatschefs müssten einstimmig einer Aufschiebung von Artikel 50 zustimmen. Die EU hat sich klar gezeigt, dass der Brexit nicht verschoben wird ‘nur weil Großbritannien nicht zustimmt’. Einigen Szenarien, in denen die EU eine Verlängerung bewilligen könnte, sind die Verhandlung eines neuen Deals, Neuwahlen im Königreich, oder ein zweites Referendum.
In einer Notiz sagte die Investmentbank Citi am Dienstag kurz nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses, dass es jetzt ‘sehr gute’ Chancen auf eine Verschiebung des Brexits jenseits des offiziellen Ausstiegsdatums gäbe. Die Ökonomen der Citi sagten:
"Die Wahrscheinlichkeit eines Aufschubs von Artikel 50 ist jetzt sehr hoch und die Stimmen für eine Aufhebung von Artikel 50 steigen ebenfalls."
Neuverhandlungen mit der EU
Die EU hat eine Neuverhandlung des gegenwärtigen Abkommens ausgeschlossen, aber die Parlamentarier könnten sich für eine an den Märkten beliebtere Option, wie ein Norwegen+ Plan entscheiden und diesen auf den Verhandlungstisch in Brüssel legen.
Verhandlungen für eine dauerhafte Zollunion würden auch die roten Linien der britischen Regierung neu ziehen, da eine solche auch das Problem der Grenze in Irland regeln würde. Allerdings könnte dafür die Unterstützung im Parlament fehlen.
Eine neue Ausarbeitung der Austrittsvereinbarung—oder ein totaler Neuanfang—wird längere Zeit brauchen, um es zu planen und in ein Gesetz zu packen. In diesem Fall würden wir erwarten, dass die Regierung bei der EU um einen Aufschub beim Inkrafttreten von Artikel 50 nachfragen müsste. Da diese Deals eher auf einen ‘weichen’ Brexit hindeuten würden, dürfte dies von den Märkten als eine positive Entwicklung aufgefasst werden.
Neuwahlen
Wenn die Zeit abläuft und ein harter Brexit zunehmend wahrscheinlich aussieht, da keine Einigung unter den Parlamentsabgeordneten möglich ist, dann könnte die Premierministerin schnelle Neuwahlen ansetzen, um die Uhr beim Ablauf der Austrittsfrist zu stoppen, in der Hoffnung, dass die EU eine Verschiebung gewährt, wenn das Land an die Wahlurnen geht. Wir sehen ein zweites Referendum als wahrscheinlicher als diese Möglichkeit an.
Zweites Referendum
Ein zweites Referendum wird von den Märkten positiv gesehen und die Idee gewinnt mehr Unterstützung, als viele aus Theresa Mays eigener Partei sich dafür stark machen. Das Parlament könnte ein solches in den kommenden Wochen beschließen, allerdings ist nicht mehr genügend Zeit, um die Volksabstimmung noch vor Fristablauf durchzuziehen, was eine Verschiebung des Brexits bedeuten würde.
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