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Brutal niedriger VIX: Wie lange hält die scheinbare Stabilität an?

Veröffentlicht am 19.07.2023, 10:49
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Der Volatilitätsindex ist so niedrig, dass er irgendwann steigen muss. Das scheint offensichtlich zu sein, doch in diesem Jahr verzichten die Anleger trotz der Bankenkrise, höherer Zinssätze und sich abschwächender Wirtschaftsdaten weiterhin auf Absicherungsstrategien.

Aber was genau ist der Volatilitätsindex, besser bekannt als „VIX“, und warum ist er so wichtig?

„Der CBOE Volatility Index (VIX) ist ein Echtzeit-Index, der die Erwartungen des Marktes hinsichtlich der relativen Stärke des S&P 500 Index (SPX) in Bezug auf kurzfristige Kursveränderungen abbildet. Da er von den Preisen der SPX-Indexoptionen mit kurzfristigen Verfallsterminen abgeleitet ist, erzeugt er eine 30-Tage-Prognose der Volatilität. Die Volatilität, d. h. die Geschwindigkeit, mit der sich die Kurse verändern, wird häufig als Indikator für die Stimmung am Markt angesehen, insbesondere für den Grad der Angst der Marktteilnehmer.

Er gilt als wichtiger Index in der Börsenwelt, der eine quantifizierte Messung des Marktrisikos und der Anlegerstimmung erlaubt“ – Investopedia

Der VIX wird von den Händlern als Gradmesser für die „Gier“ oder die „Angst“ im Markt angesehen. Da Anleger dazu neigen, sich in Extremsituationen zu irren, ist der Index ein hervorragender Frühindikator für eine Trendwende, wenn er extreme Angst oder Gier zeigt. Da zwischen dem Volatilitätsindex (VIX) und der Anlegerstimmung ein inverses Verhältnis besteht, wird in der nachstehenden Grafik der VIX-Index zum Zweck der besseren Vergleichbarkeit invertiert. Es überrascht nicht, dass niedrige VIX-Werte mit einer bullishen Haltung der Anleger korrelieren.

Net Bullish Sentiment vs VIX

Um die Beziehung zum Markt zu verstehen, haben wir einen zusammengesetzten Index erstellt. Der Index setzt sich aus dem Net Bullish Sentiment von Privatanlegern und institutionellen Investoren und einem invertierten Volatilitätsindex (1 minus VIX-Wert) zusammen. Wir haben den Composite-Index dem S&P 500-Index gegenübergestellt. So ist es nicht weiter überraschend, dass hohe Indexwerte regelmäßig mit Marktereignissen und -korrekturen einhergehen. Niedrige Werte treten meist in der Nähe von Markttiefs auf.Sentiment/VIX Composite vs S&P 500

Anleger sollten mit Korrekturen rechnen, wenn sich die kombinierten Indexwerte höheren Niveaus nähern. Nick Colas wies kürzlich darauf hin, dass sich solche Zeiträume allerdings länger als erwartet hinziehen können.

Sobald wir uns in einer Phase [niedriger Volatilität] befinden, hält sie in der Regel an, es sei denn, etwas wirklich ‚unbekanntes Unbekanntes‘ tritt ein. Da der VIX derzeit weit unter dem Durchschnitt liegt, dürften wir uns in einem Umfeld mit niedrigen Volumina und guten Renditen befinden, bis ein echter Schock eintritt. Es ist schwierig, aber nicht unmöglich, den VIX mit einem Ereignis zu 'überraschen', das ihn von einem unter dem Trend liegenden Wert plötzlich zu einem über dem Trend liegenden Wert führt.

Das gibt kein grünes Licht für weitere Aktiengewinne im Jahr 2023, aber es legt die Messlatte ziemlich hoch, was die Art von Katalysator angeht, die notwendig ist, um die aktuelle Rallye zu beenden.“

Er weist insbesondere darauf hin, dass Stabilität letztlich zu Instabilität führt.

Stabilität führt zu Instabilität

Der Ökonom Hyman Minsky vertrat die Auffassung, dass Finanzmärkten eine gewisse Instabilität innewohnt. In Zeiten einer Spekulationshausse werden die Exzesse, die durch leichtsinnige, spekulative Aktivitäten entstehen, schließlich zu einer Krise führen. Je länger die spekulative Phase andauert, desto schwerwiegender wird dann auch die Krise sein.

Wir können uns diese Zeiten der „Instabilität“ vor Augen führen, indem wir den Volatilitätsindex im Vergleich zum S&P 500 Index betrachten. Beachten Sie, dass lange Perioden der „Stabilität“ regelmäßig zu Perioden der „Instabilität“ führen. 

VIX Vs. SP500

Da der Volatilitätsindex eine Funktion des Optionsmarktes ist, können wir auch diese abwechselnden Perioden von „Stabilität/Instabilität“ betrachten. Der nachstehende Chart zeigt die täglichen Kursveränderungen des Index selbst

S&P 500

Da das gesamte Finanzökosystem stärker denn je fremdfinanziert ist, stellt die „Instabilität der Stabilität“ aktuell das größte Risiko dar.

Das „Stabilitäts-/Instabilitätsparadoxon" geht von der Annahme aus, dass alle Teilnehmer rational handeln. Eine solche Rationalität impliziert daher die Vermeidung von Zerstörung. Mit anderen Worten: Alle Teilnehmer handeln rational, und keiner drückt den „großen roten Knopf.“

Die Fed ist darauf angewiesen, dass „jeder rational handelt“, wenn sie die Zinsen weiter anhebt, um den Inflationsdruck zu bekämpfen. Bislang haben die Märkte die Ereignisse auf den Finanzmärkten gut verkraftet und die Asset-Preise in die Höhe getrieben. Da jedoch gerade die aggressivste Zinserhöhungskampagne seit Ende der 70er Jahre läuft, ignoriert der Markt weitgehend das Risiko, dass „etwas kaputt geht“ , während der bullishe Überschwang zurückkehrt. Historisch gesehen nimmt die optimistische Stimmung WÄHREND der Zinserhöhungskampagne zu, endet aber schlecht.

Fed Funds vs Sentiment VIX Index

Man hofft, wie immer in solchen Situationen, dass dieses Mal alles anders sein wird.

0DTE (Zero Days To Expiration)

Auch wenn die Volatilität derzeit niedrig ist, ist es unwahrscheinlich, dass die Volatilität dauerhaft unterdrückt worden ist. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Volatilität und der Zinserhöhungskampagne der Fed. In Anbetracht der Tatsache, dass Zinserhöhungen letztendlich „etwas kaputt machen“, insbesondere angesichts der Auswirkungen höherer Kreditkosten auf eine zunehmend fremdfinanzierte Wirtschaft, wird es dieses Mal wahrscheinlich nicht anders sein. Es gibt jedoch zweifellos einen Verzögerungseffekt zwischen der Volatilität und den Zinserhöhungen, was darauf hindeutet, dass eine Rezession weiterhin ein Hauptrisiko darstellt.

Volatilitätsindex vs Fed Funds Rate

Während sich die Anleger über die anhaltend niedrige Volatilität freuen, tappen sie möglicherweise gerade in eine Falle. Leider wissen die Investoren das nie mit Sicherheit, bis die „Falle zugeschnappt“ ist.

Ein Grund für die Behauptung, dass der „VIX kaputt“ ist, ist der Boom kurzlaufender Optionen, die als „0DTE“ oder „Zero Days To Expiration“ bezeichnet werden Diese extrem kurzfristigen Put-and-Call-Optionen auf einzelne Aktien und Indizes verfallen innerhalb von 24 Stunden. Wie der Chart zeigt, konzentriert sich fast die Hälfte des Optionsvolumens des S&P 500 auf 0DTEs. Das übertrifft die einstelligen Raten der Zeit vor der Pandemie bei weitem.

Kurzlaufende Optionen auf den S&P 500

Noch wichtiger ist, dass der VIX, das traditionelle Maß für „Angst und Gier“ an den Finanzmärkten, diese 0DTE-Optionen nicht berücksichtigt.

„Das Risiko der 0DTEs besteht (unserer Ansicht nach) in einem starken Ungleichgewicht (z. B. zu viele Nicht-Hedger, die Short-Positionen auf der Abwärtsseite halten). Wir glauben, dass ein Großteil der 0DTEs aus dem Handel von einem dynamischen Hedger mit einem anderen dynamischen Hedger und/oder Ersatzstrategien herrührt (d.h. Kauf von Calls anstelle von Long-Aktien)." - SpotGamma.

0DTE: Puts und Calls

Es ist durchaus möglich, dass der Boom bei 0DTE-Optionen den Volatilitätsindex unterdrückt und ihn auf kurze Sicht weniger wirksam erscheinen lässt. Sicher wissen werden wir es jedoch erst, wenn das nächste Volatilitätsereignis eintritt. Leider könnte es dann für viele Anleger zu spät sein, um etwas an ihrem Risikomanagement zu ändern.

Aber wie unsere Analyse zeigt, vermuten wir, dass der VIX wahrscheinlich funktioniert, da er eine Funktion der bullishen Marktstimmung ist. Das signalisiert zwar, dass der Markt in nächster Zeit steigen kann und wahrscheinlich auch wird - gleichzeitig ist es aber auch der Treibstoff für den anschließenden Rückgang.

Es fehlt also nur noch ein unerwartetes, exogenes Ereignis, das die erste Verkaufswelle auslöst.

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