Es war ein Montag, der Börsengeschichte geschrieben hat – und das aus gleich mehreren Gründen. Zunächst wirkte noch die Meldung vom Freitag nach, wonach die Ratingagentur Moody’s (NYSE:MCO) die Kreditwürdigkeit der USA herabgestuft hat. Das US-Rating wurde auf AA gesenkt – für viele institutionelle Investoren ein Signal für erhöhte Unsicherheit. Die Märkte reagierten prompt: Der Handel startete mit einem Minus von rund 1 % in den großen Indizes.
Soweit, so erwartbar. Doch was dann geschah, hatte selbst erfahrene Marktbeobachter überrascht: Privatanleger stürmten in den Markt – in einem bisher nie dagewesenen Tempo. Nach Daten von JP Morgan kauften Retail-Investoren in den ersten drei Handelsstunden US-Aktien im Wert von 4,1 Milliarden US-Dollar – ein neuer Rekord. Kein anderer Tag in der Geschichte des US-Aktienmarkts hat jemals ein derart starkes Kaufinteresse aus dem privaten Lager erlebt. Die Grafik von JP Morgan zeigt deutlich: Der Montag sticht alles aus, was es an vergleichbaren Kaufwellen gab.
Doch während viele diese Euphorie als Zeichen von Stärke deuten könnten, stellt sich sofort eine viel ernstere Frage: Wer hat diesen Privatanlegern die Aktien eigentlich verkauft?
Die einfache Antwort lautet: Institutionelle Anleger. Und genau das macht viele Marktbeobachter stutzig. Denn dieser Trend – Retail kauft, Profis verkaufen – ist nicht neu. Er läuft seit Monaten.
Schon in einem früheren Beitrag („Smart Money oder Dumb Money: Wer hat am Ende recht?“) wurde dieser Gegensatz thematisiert. Dort hieß es:
„Smart Money – also institutionelle Investoren und Hedgefonds – verkaufen aggressiv, während sogenannte Dumb Money – also private Anleger – ebenso aggressiv kaufen. Der Meinungsunterschied ist frappierend.“
Traditionell gelten institutionelle Anleger als die besseren Taktiker, weil sie tiefergehende Analysen fahren, schnell reagieren und über umfassendere Informationszugänge verfügen. Doch die vergangenen Jahre haben dieses Dogma erschüttert: Immer wieder lag das vermeintlich dumme Geld goldrichtig, während das Smart Money zögerte – oder falsch lag.
Die entscheidende Frage lautet nun: Geht den Privatanlegern bald das Geld aus – oder müssen sich die Institutionellen am Ende geschlagen geben und ihre Positionen neu aufbauen?
Technische Perspektive: Der Markt ist heiß gelaufen – aber der Trend bleibt
Auch wenn die Märkte kurzfristig überkauft wirken, zeigt sich das übergeordnete Bild bullish. Zahlreiche Momentum-Indikatoren deuten weiterhin auf steigende Kurse hin.
Natürlich: Nach der jüngsten Rally sind viele Aktien technisch „überdehnt“. Eine Konsolidierung – ob als Seitwärtsphase oder in Form eines Rücksetzers – wäre aus Sicht der Marktmechanik völlig normal. Aber der Grundtrend? Der zeigt weiterhin nach oben.
Genau das wird auch Thema des kommenden Wochenend-Newsletters sein, der unter dem Titel „Wie man einen unaufhaltsamen Bullenmarkt handelt“ erscheint. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Artikel erscheint – doch die Fragestellungen bleiben bei vergleichbaren Marktphasen stets dieselben.
Es gibt unzählige Ansätze zur technischen Analyse. Viele Trader verwenden komplexe Indikator-Kombinationen, um Trends zu erkennen oder Wendepunkte zu prognostizieren. Wir machen es bewusst einfach.
Unsere Methodik basiert auf drei Werkzeugen:
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Ein Indikator zur Überkauft-/Überverkauft-Bewertung (RSI)
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Zwei gleitende Durchschnitte (meist 50- und 200-Tage-Linie), um den Trend zu identifizieren
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Bollinger-Bänder, um Übertreibungen (Abweichungen) vom Durchschnitt sichtbar zu machen
Ziel ist es, Warnsignale für Korrekturen zu erkennen oder eben zu sehen, wann ein Markt überverkauft und reif für eine Erholung ist.
Aktuell sprechen die Indikatoren eine eindeutige Sprache:
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Viele Aktien notieren nahe oder oberhalb der oberen Bollinger-Bänder
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Der RSI ist in vielen Fällen über 70, was auf Überhitzung hindeutet
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Der MACD beginnt sich aus einem Hoch heraus nach unten zu kreuzen
Historisch betrachtet ist das ein typisches Setup für eine bevorstehende Korrektur – zumindest auf kurze bis mittlere Sicht. Hinzu kommt: Aktienrückkäufe nehmen im Juni traditionell ab, was dem Markt ebenfalls etwas Wind aus den Segeln nehmen könnte.
In dieser Phase ist es entscheidend, Gewinne zu sichern, Risiken zu steuern und Liquidität für bessere Einstiegspunkte vorzuhalten.
Aber – und das ist entscheidend:
„Du sollst nie gegen den Trend handeln.“ – James P. Arthur Huprich
Das aktuelle Marktumfeld ist bullish. Die negative Phase im April ist überwunden, der Markt hat sich stabilisiert. Und: Solange der Aufwärtstrend intakt ist, bleiben wir investiert.
Denn:
„In einem Bullenmarkt kann man long oder neutral sein. In einem Bärenmarkt nur neutral oder short.“ – Dennis Gartman
Korrekturen zum unteren Rand der Bollinger-Bänder oder zur 50-Tage-Linie sind wahrscheinlich. Doch anstatt davor Angst zu haben, nutzen wir sie als Chance. Rücksetzer in einem Bullenmarkt sind Gelegenheiten – keine Katastrophen.
Wichtig ist, die Bereitschaft zu bewahren, auch einmal in Cash zu bleiben – und auf echte Gelegenheiten zu warten.
Oder wie es Gerald Loeb einst formulierte:
„Die Fähigkeit, Gelder uninvestiert zu lassen, bis sich echte Chancen bieten, ist ein Schlüssel zum Erfolg im Kampf ums Überleben an den Märkten.“
Blick über den Tellerrand: Staatsanleihen und Zinskurven
Ein Blick auf die globalen Zinsmärkte offenbart ein weiteres Puzzleteil: Laut TradingView-Chart bietet die USA – abgesehen vom Vereinigten Königreich – derzeit die höchsten Renditen über das gesamte Laufzeitenspektrum.
Interessant: Bis auf China weisen sämtliche Zinskurven eine normale Steigung auf – das heißt: Langfristige Zinsen sind höher als kurzfristige. Noch vor Monaten waren viele dieser Kurven invers.
Warum bleibt die US-Kurve höher? Vor allem wegen zwei Dingen: Defizit- und Zoll-bedingte Inflationsängste. Andere Notenbanken – etwa in Europa oder Kanada – haben bereits mit Zinssenkungen begonnen, was deren kurzfristige Renditen drückt. Die Fed dagegen hält noch an hohen Sätzen fest.
Fundamental gesehen wären die höheren US-Renditen durchaus attraktiv – gerade für konservative Anleger. Aber aktuell dominiert einmal mehr: das Narrativ vor den Zahlen.