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Darum sollte die OPEC+ niedrigere Ölpreise hinnehmen

Veröffentlicht am 08.09.2022, 09:49
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Vorgestern hatte ich über die beschlossene Kürzung der Öl-Fördermengen durch die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und ihre Verbündeten (OPEC+) berichtet. Dazu hatte der führende OPEC-Produzent Saudi-Arabien schon im vergangenen Monat erklärt, dass der jüngste Ölpreisverfall übertrieben sei. Doch dem könne mit Produktionskürzungen entgegengewirkt werden. Diese Aussage verwundert mich in mehrfacher Hinsicht.

Übertriebener Ölpreisverfall?

Sicherlich: Der Ölpreis der Nordsee-Sorte Brent ist zum Beispiel von seinem März-Hoch bei über 133 Dollar bis auf heute im Tief weniger als 89 Dollar deutlich zurückgekommen und damit um ein Drittel gefallen. Das kann man „Ölpreisverfall“ nennen. Aber ist dieser übertrieben?

Der durchschnittliche Rohölpreis der Nordseesorte Brent lag in den vergangenen 11 Jahren bei rund 75 Dollar. Und demnach befindet sich der aktuelle Preis immerhin noch mehr als 18 % darüber. Aus dieser Sichtweise heraus erscheint der aktuelle Preisverfall also nicht übertrieben.

Zu hohe Ölpreise würgen die Wirtschaft ab

Im Gegenteil: Die OPEC müsste sich eigentlich über die Entspannung der Ölpreise freuen. Denn mit höheren Preisen scheinen sie sich die eigene Existenzgrundlage zu entziehen. Schließlich werden die sprunghaft gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten für immer mehr Unternehmen zur Frage des Überlebens. Und wenn Unternehmen pleitegehen, kaufen sie kein Öl mehr. Oder sie steigen auf alternative Energieträger um. Geschieht dies massenhaft, nützt der OEPC auch ein hoher Ölpreis nicht mehr.

In einer gestern veröffentlichten Studie des Industrieverbandes BDI heißt es, für 58 % der mittelständischen Betriebe in Deutschland seien die gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe eine starke Herausforderung. Für 34 % gehe es sogar um die Existenz. Zum Vergleich: Im Februar hatten Letzteres erst 23 % gesagt.


(Quelle: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.)

In der Umfrage unter knapp 600 Firmen gaben zudem 72 % der Betriebe an, Lieferschwierigkeiten und -verzögerungen seien eine große Herausforderung.


(Quelle: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.)

Fast jedes zehnte Unternehmen habe daher die Produktion in Deutschland derzeit gedrosselt oder sogar schon unterbrochen.

Produktion wird gedrosselt

Passend dazu hat gestern das Statistische Bundesamt gemeldet, Industrie, Bau und Energieversorger hätten zusammen im Juli 0,3 % weniger hergestellt als im Vormonat. Im Vergleich zum Juli 2021 war die Produktion kalenderbereinigt 1,1 % niedriger.

In energieintensiven Industriezweigen ist die Produktion im Juli sogar um 1,9 % gegenüber dem Vormonat gesunken. Seit Februar 2022 summiert sich der Rückgang auf -6,9 %. Hier zeigt sich also sehr klar die Belastung der Unternehmen durch hohen Energiepreise.

Sechster Rückgang bei den Auftragseingängen in Folge

Und in diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal, wie vorgestern schon, auf die Analyse vom 4. August verweisen. Damals schrieb ich, das Statistische Bundesamt habe bestätigt, was die Einkaufsmanagerdaten bereits erwarten ließen: „Der Auftragseingang ist im verarbeitenden Gewerbe im Juni 2022 um 0,4 % zum Vormonat gesunken (preisbereinigt). Das ist der fünfte Rückgang in Folge.“ Und weiter: „Und im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Auftragseingang im Juni 2022 sogar um 9,0 % niedriger.

Vorgestern wurde nun gemeldet, dass die deutsche Industrie im Juli den sechsten Monat in Folge weniger Aufträge erhalten hat. Dieses Mal belief sich der Rückgang sogar auf -1,1 %. Ökonomen hatten dagegen im Durchschnitt nur mit einem halb so kräftigen Rückgang von -0,5 % gerechnet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Auftragseingang um 13,6 % niedriger.

Wie vorgestern bereits in der Überschrift zu lesen war, hat sich die Lage nach einem Monat deutlich verschlechtert. Und das ist eben auch den hohen Preisen für Rohöl geschuldet, was nicht nur für die deutsche Wirtschaft gilt.

Hohe Energiepreise lasten auf dem Konsum

Weitere Belege dafür: Details zu den Auftragseingängen zeigen, dass die Bestellungen für Konsumgüter in Deutschland im Juli um 16,9 % eingebrochen sind. Und am Montag wurde gemeldet, dass die Einzelhandelsumsätze der Eurozone im Juli um -0,9 % gegenüber dem Vorjahr rückläufig waren. In der folgenden Grafik zeigt sich, dass schon seit Mitte des vergangenen Jahres eine Abwärtstendenz zu erkennen ist.

Die Bürger können sich offenbar aufgrund der hohen Kosten für Strom und Heizung weniger leisten. Unter anderem Saudi-Arabien sollte sich also sehr genau überlegen, ob das Land wirklich Ölpreise von 90 Dollar und mehr haben möchte.

Preise steigen weiter

Zumal bei der Wirtschaftsleistung nicht mit einer schnellen Trendwende zu rechnen ist. Denn die Inflation wird noch eine Weile hoch bleiben. Und dabei wird es nicht nur um teure Energie gehen. Das Münchner ifo-Institut hat gestern zu einer monatlichen Firmenumfrage mitgeteilt, dass fast jedes zweite deutsche Unternehmen in den kommenden drei Monaten die Preise erhöhen will. Das Barometer für die Preiserwartungen gab im August lediglich um 0,1 Punkte auf 47,5 Zähler nach. Dabei dürfte sich die Preisspirale besonders bei Lebensmitteln (!) weiter nach oben drehen: Hier erreichte der Wert 96,8 Punkte, nach 99,4 im Juli. „Ein Auslaufen der Inflationswelle ist leider nicht in Sicht“, lautete daher auch das Fazit vom ifo-Institut.

Lieferketten weiterhin gestört

Getrieben wird diese Entwicklung auch weiterhin von gestörten Lieferketten. Einer Untersuchung des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge stecken aufgrund von hartnäckigen Staus in der Containerschifffahrt gegenwärtig rund 11 % aller verschifften Waren fest. Und diese Schwierigkeiten halten auch die Transportkosten hoch, die wiederum eine Erholung des globalen Handels erschweren, so das IfW.

Außerdem legen Corona-Beschränkungen immer wieder Metropolen in China lahm. Dadurch kommt es zu einem langsameren Wachstum im Außenhandel. Wie aus gestern veröffentlichten amtlichen Daten hervorgeht, wuchsen die chinesischen Exporte im August nur noch um 7,1 % im Vergleich zum Vorjahresmonat und damit deutlich langsamer als im Juli (+18,0 %). Ökonomen hatten mit einem deutlich kräftigeren Anstieg von 12,8 % gerechnet.

Wenn aufgrund von Corona-Beschränkungen weniger Waren aus China exportiert werden, reduziert dies das Angebot, was zu steigenden Preisen führt.

Fazit

Die Inflation ist derzeit nicht nur den hohen Energiepreisen geschuldet. Auch die gestörten Lieferketten, die ihren Ursprung in der Corona-Pandemie haben, tragen einen gehörigen Teil zu gestiegenen und steigenden Preisen bei. Doch diese Preise, die auf ein geringes Angebot zurückzuführen sind, werden sehr wahrscheinlich sinken, wenn sich die Lieferketten und damit das Warenangebot normalisieren.

Die hohen Energiepreise sind dagegen ein von Russland bewusst herbeigeführtes Problem. Und es wird wohl solange anhalten wie der Krieg in der Ukraine – oder aufgrund der Sanktionen gegen Russland sogar noch länger.

Dieses Problem kann allerdings durch die OPEC zumindest teilweise entschärft werden, indem die Rohölproduktion möglichst erhöht und somit ausreichend Energie zur Verfügung gestellt wird. Dann dürften die Energiepreise sinken. Und das sollten sie auch. Denn ansonsten könnte der Bedarf an Rohöl sinken, wenn Firmen ihre Produktion reduzieren oder gar einstellen. Das kann nicht im Interesse der OPEC sein. Und darum sollte die Organisation niedrigere Ölpreise hinnehmen, zumal diese auf dem aktuellen Niveau ja durchaus auch noch relativ hoch sind.

Ölpreis: Neues Kursziel 78 Dollar

Wie passend, dass der Ölpreis der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) gestern die Unterstützung bei ca. 85 Dollar gebrochen hat (siehe rote Ellipse im folgenden Chart).

Damit eröffnet sich nun ein weitergehendes Abwärtspotential bis zunächst auf zuerst 78,40 und dann 76,87 Dollar (rote horizontale Linien im Chart).

Dort wurden markante Hochs markiert, die als horizontale Unterstützung dienen können. Zudem hätte der Ölpreis dort 38,20 % seiner gesamten Aufwärtsbewegung seit dem Tief vom April 2020 korrigiert. Und er hätte wieder in etwa sein Durchschnittsniveau erreicht.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus

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