DeepSeek - Wandelt sich China vom Nachahmer zum Innovationsführer?

Veröffentlicht am 29.01.2025, 10:39
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DeepSeek beeindruckt und schüttelt gleichzeitig die Wall Street durcheinander. Die Chinesen zwingen die AI-Welt, sich neu zu sortieren und aufzustellen. Bemerkenswert ist vor allem, dass der Technologiesprung von da kam, wo keiner mit gerechnet und darauf geachtet hatte.

Das Chancen- / Risikoverhältnis hätte auf den ersten Blick kaum schlechter für DeepSeek sein können. Das chinesische Unternehmen war und ist von den Sanktionen der USA indirekt betroffen, da die Verfügbarkeit der marktführenden AI-Server Chips von Nvidia (NASDAQ:NVDA) in China erheblich eingeschränkt ist. Man ist weit davon entfernt, über eine vergleichbare Rechenbasis wie beispielsweise die amerikanischen Marktführer OpenAI, Anthropic oder xAI zu verfügen. DeepSeek hat vor dem Beginn der AI-Chip Sanktionen gegen China rund 10.000 Nvidia A100 GPUs erstehen können. Aktuell soll das Unternehmen angeblich über 50.000 A100 verfügen, wofür es aber keinen Beleg gibt. Grundsätzlich gilt:

DeepSeek kommt mit erheblich weniger Kapital als die Konkurrenz aus. Von Modell zu Modell steigen bei den AI-Unternehmen die Entwicklungskosten und mit einem Zeitversatz fließen dann die Umsätze entsprechend herein. Daher muss man vorsichtig damit sein, welche Entwicklungskosten man miteinander vergleicht. Doch der Unterschied ist so erheblich, dass es kaum einen Zweifel gibt, wer die effizientere Software entwickelt hat. So hat beispielsweise OpenAI für das GPT-4 Modell rund 100 Mio. US-Dollar investiert. DeepSeek gibt seine Entwicklungskosten mit 6 Mio. US-Dollar an.

Denkbar bescheidene Vorgaben für DeepSeek

Die eigentlichen Funding-Summen der amerikanischen AI-Unternehmen liegen selbstverständlich wesentlich höher. Gerade in einer heißen Phase wie jetzt, wo das Thema AI täglich die Schlagzeilen beherrscht und Anleger stetig auf der Suche nach neuen Gewinnen in der Branche sind, ist es einfach frisches Kapital aufzunehmen und es ist daher angezeigt, dies auch auszunutzen. Denn die nächste „Trockenphase“ kommt bestimmt.

Anthropic hat gerade erst eine neue Funding-Runde hinter sich gebracht und 2 Mrd. US-Dollar an neuem Kapital aufgenommen. Zu einer Bewertung von 60 Mrd. US-Dollar nach 18 Mrd. US-Dollar im Vorjahr. Damit kumulieren sich die Kapitalerhöhungen insgesamt auf rund 15,7 Mrd. US-Dollar. Zwei der größten Investoren sind hier Amazon (NASDAQ:AMZN) und Alphabet (NASDAQ:GOOGL). Doch auch OpenAI und xAI nehmen regelmäßig hohe Summen auf. OpenAI erhöhte das Kapital zuletzt im Oktober um 6 Mrd. US-Dollar. Elon Musks xAI folgte einen Monat später mit einer vergleichbaren Summe. Von solchen Summen konnte DeepSeek bisher nur träumen, da sich China harten Sanktionen vonseiten der Amerikaner (und Europäer) gegenübersieht.

Das Ziel der 1. Trump-Administration und der Biden-Administration war es, den Emporkömmling China künstlich einzudämmen. Dazu schnitt man China insbesondere von Hochleistungschips mit amerikanischen Technologien ab und gewährte dem Land nur noch Zugang zu alten Chiptechnologien und abgespeckten Varianten der aktuellen Hochleistungschips. Alles, um China zu isolieren und in seinem Wachstum zu hemmen. Was auch sicherlich bisher die gewünschte Wirkung erzielte.

Das Risiko dieser Isolierungsstrategie liegt jedoch darin, dass am Ende China all die Dinge, die dem Land vorenthalten werden, selbst erstellt. Und im Zweifel besser. Wenn es denn möglich ist. Sicherlich gibt es Bereiche wie die Energieversorgung, wo China auf Dauer vom Ausland abhängig bleiben wird. Computerhardware und vor allem Software sind jedoch Bereiche, wo China glänzen kann, wenn man genug Zeit und Ressourcen investiert. Und das Beispiel DeepSeek zeigt eindrücklich, wie sich dieses Risiko für die USA realisiert.

Was treibt das Genie Liang Wenfeng an?

Liang Wenfeng, der hinter der Gründung von DeepSeek steckt, ist mit 40 Jahren nicht nur jung, sondern zudem ein begnadetes Genie. Und noch dazu ein Genie, dessen Passion nicht vom schnöden Mammon angetrieben wird, sondern von der Neugierde. Geld hat Liang in seinem Leben bereits genug verdient. Auf Basis von AI entwickelte er bereits vor mehr als einer Dekade Handelsstrategien, um Trends am Kapitalmarkt vorherzusagen. Wie gut sind seine Algorithmen? Sie haben eine „beängstigende Genauigkeit“. Mit der Gründung eines Quant-Hedge-Funds trieb Liang diese Karriere bis zur Professionalität. Am Ende war der Huanfang Quantitative Fonds die Nr. 4 in China und verwaltet umgerechnet ein Vermögen von rund 8 Mrd. US-Dollar.

DeepSeek ist Ausfluss der Hedge-Funds Aktivitäten. Liang nutzte die gewonnenen Erkenntnisse, um mit DeepSeek ein Forschungslabor zu eröffnen, das ein eigenes, leistungsfähiges AI-Modell entwickelt. Gegründet 2023 präsentiert man bereits im Mai 2024 mit V2 (DeepSeek-V2) das erste Modell, das für Aufsehen sorgte. Das aktuelle Modell V3, das die Wall Street so nervös macht, ist gerade einmal vor einem Monat veröffentlicht worden.

Die Besonderheit an dem DeepSeek Modell liegt darin, dass es für die wichtigen Probleme optimiert wurde, die derzeit die Branche zurückhalten. Angefangen bei den Entwicklungskosten, die bei einem Bruchteil dessen liegen, was die amerikanische Konkurrenz investiert, über einen Speicherverbrauch, der lediglich bei 5 % bis 13 % dessen liegt, was üblicherweise benötigt wird. Das hat erhebliche Konsequenzen, denn DeepSeek kann mit einer gegebenen Rechenpower damit erheblich mehr leisten als die anderen. Das betrifft selbstverständlich auch den Energieverbrauch, aber vor allem die laufenden Kosten für die Verarbeitung von Anfragen. DeepSeek gibt diese mit 1 Renminbi pro eine Million Token an. Ein Renminbi sind rund 0,13 Euro. Das sind Kosten, die bei einem Siebtel bis ein Siebzigstel vergleichbarer Modelle aus dem Westen liegen. Doch damit nicht genug:

DeepSeek hat die drängendsten Probleme der AI-Branche gelöst

DeepSeek ist profitabel. Man fährt ein Preismodell, das die Kosten deckt und eine kleine Gewinnmarge enthält. Da die Leistungsfähigkeit der Modelle problemlos mit der Spitze mithalten kann und gleichzeitig die Benutzung nur ein Bruchteil kostet, löste DeepSeek schon 2024 einen Preiskrieg in China aus. Das ausgezeichnete Preis- / Leistungsverhältnis sprach sich schnell herum und die großen chinesischen Technologiekonzerne mussten ihre Preise senken. Etwas ähnliches droht nun auch den amerikanischen Konkurrenten, wenngleich diese etwas besser geschützt sind. Denn viele Konzerne werden den Teufel tun und einer chinesischen AI ihre Daten zur Verarbeitung geben. Aber letztlich werden auch die großen Konkurrenten wie Anthropic und OpenAI keine Wahl haben, als die Preise zu senken. Selbst wenn die eigenen Kosten nicht im Einklang reduziert werden können. Und: Schon vor dem Preiskrieg haben die amerikanischen Startups Geld verbrannt und keines verdient.

SOX Philadelphia Semiconductor Index

Doch Liangs Passion ist die Neugierde und nicht der schnöde Mammon. Vor diesem Hintergrund ist einzusortieren, dass DeepSeek sich entschlossen hat, seine LLMs als Open Source zu behandeln. Das bedeutet nichts anderes, als das die Chinesen ihren intellektuellen Vorsprung relativ schnell wieder verlieren werden, da alle anderen großen Player die Technologiesprünge der Chinesen bei Bedarf nachvollziehen und in ihre Produktlinien integrieren können. Am Ende macht also die gesamte Branche einen Sprung nach vorne.

Wer sind die Gewinner und Verlierer?

Wer sind hierbei die Gewinner und Verlierer? Am stärksten ins Auge sticht natürlich Nvidia. Die bekanntlich am Montag in die Börsengeschichte eingegangen sind mit dem größten Wertverlust an einem Tag: -589 Mrd. US-Dollar hieß es für die Marktkapitalisierung. Warum? Weil DeepSeek einen Weg aufgezeigt hat, wie man den Output der Nvidia-Chips erhöhen kann, ohne neue Chips zu kaufen. Das senkt die Hoffnung der Wall Street im Hinblick auf das zukünftige Wachstum von Nvidia, auch wenn zu Beginn von dem Technologiesprung wenig zu spüren sein wird, denn der Nachfrageüberhang ist sehr hoch. An diesen sinkenden Wachstumsperspektiven hängen auch die ganze restliche Wertschöpfungskette und natürlich die Bewertung der Nvidia Konkurrenten, da die Preise der AI-Chips in Zukunft voraussichtlich niedriger als geplant ausfallen werden.

Nvidia in US-Dollar

Die großen Gewinner sind die Benutzer und Dienstleister. Je leistungsfähiger die AI-Modelle werden, bei gleichzeitig sinkenden Benutzungskosten, desto breiter werden die Anwendungen ausfallen. Da DeepSeek zudem Open Source ist, dürfte es zu einer regelrechten Schwemme, wenn nicht gar Explosion an neuen AI-Startups kommen. Daher ist auch der Rücksetzer für Nvidia und die restlichen Chiphersteller voraussichtlich nur sehr temporär, denn man wird spätestens über ein höheres Volumen möglicherweise fallende Preise ausgleichen können. Das wird vor allem die großen Dienstleister wie Google, Meta (NASDAQ:META) und Microsoft (NASDAQ:MSFT) unterstützen.

Meta in US-Dollar

Unter dem Strich muss man festhalten, dass die Sanktionsstrategie der Amerikaner krachend gescheitert ist. Der Staat hat mit grober Hand versucht, den Emporkömmling China zurückzuhalten, hat dabei aber im Kern nur dessen Innovationskraft entfacht. Ob DeepSeek nur ein bemerkenswerter Einzelfall ist oder ob sich die grundsätzliche Haltung der Chinesen ändert, werden wir erst über die Jahre beurteilen können. Möglich ist, dass das Land sich aufgrund der Sanktionen von einem überwiegenden Nachahmer zu einem Innovationsführer entwickelt. Aus der Not heraus geboren, was aber bekanntlich kein schlechter Katalysator ist.

Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief

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