Der böse Rio

Veröffentlicht am 02.02.2022, 11:00
Aktualisiert 09.07.2023, 12:31

Normalerweise assoziieren wir ja nur durchweg positive Dinge mit dem Namen „Rio“. An erster Stelle kommt natürlich die Partystadt des Karnevals, Rio de Janeiro, in Brasilien. Bunt gekleidete Sambatänzerinnen, weitläufige volle Strände und ein steinerner Jesus, der dieses Paradies unter sich schützt. Dem Fußballfan ist diese Assoziation zwar geläufig, aber dieser schwelgt eher in nostalgischen Gedanken an den ehemaligen Verteidiger, Rio Ferdinand, der jahrelang den Strafraum von Manchester United sauber hielt und nicht umsonst seinerzeit der teuerste Verteidiger der Welt war. Ein Rio tanzt aber aus der Reihe… und zwar gewaltig.

Rio Tinto (LON:RIO) ist ein anglo-australisches Minenunternehmen und sogar das zweitgrößte in diesem Sektor. Der Konzern hat im Jahre 2020 einen Nettogewinn von $10.4 Milliarden verbucht, während alle anderen Unternehmenskennzahlen ebenfalls mehr als solide sind. Nicht weniger bemerkenswert ist, dass das Unternehmen schon seit 1873 existiert und somit fast 150 Jahre alt ist. Aus fundamentaler Sicht ist Rio Tinto wahrlich ein Vorzeigekandidat und auch das Wachstum des Aktienkurses gibt dem Unternehmen recht. Hinter den Kulissen sieht es aber düster aus.

Gestern hat Rio Tinto einen Bericht veröffentlicht, an dem seit letztem Jahr gearbeitet wird. Hier wurden insgesamt mehr als 10 000 von den rund 45 000 Beschäftigten zu den sozialen Umständen gefragt und die Ergebnisse sind erschreckend. Fast die Hälfte der Befragten gaben an, dass sie auf der Arbeit gemobbt wurden, während auch Rassismus durch alle Reihen hinweg ein gängiges Phänomen sei. Auch sexuelle Belästigungen und sogar Vergewaltigungsversuche seien vorgekommen. Natürlich ist durch die Sensibilität und Tabuisierung, gepaart mit Angst vor Vergeltung, die Zahl der Betroffenen, die sich dazu äußern, in diesem Bereich oftmals gering. Dennoch gab es in den letzten 5 Jahren 21 formelle Klagen im Konzern bezüglich Vergewaltigungsversuche und sexueller Belästigung. Dabei sind aber nicht nur Frauen betroffen, auch wenn es über 30% der weiblichen Belegschaft ist. Auch 7% der männlichen Mitarbeiter wurden Opfer der Belästigung. Was Rassismus angeht ist die Lage ebenfalls schlimm, da gerade australische Ureinwohner damit zu kämpfen haben.

Der CEO, Jakob Stausholm, welcher seit Januar 2021 im Amt ist, beschrieb die Zustände als „verstörend“ und gab mit der Veröffentlichung des Reports direkt bekannt, dass Rio Tinto alle 26 Empfehlungen der ehemaligen Kommissarin gegen sexuelle Diskriminierung der Australian Human Rights Commission, Elizabeth Broderick, implementieren wird. Stausholm sagte, dass ihm der Report die Augen geöffnet hat und er sich gegen die systemische Natur der toxischen Kultur am Arbeitsplatz einsetzen wird. Einen Rückschlag kann man aber auch noch mal im weiteren Verlauf des Jahres erleben, da die Regierung der westaustralischen Provinz einen ähnlichen Bericht zur sexuellen Belästigung in Minen publizieren wird, der aber den ganzen Sektor abdeckt. Aus dieser Provinz stammt mehr als die Hälfte des weltweiten Eisenerzes, was bedeutet, dass der Sektor dort gewaltig ist.

Nun ist aber die Frage, ob das Rio Tinto auch hält, was es verspricht. Die Chancen stehen schlecht. Der Konzern ist auch außerhalb als ethisch untragbares Unternehmen angesehen. In die Liste der Schandtaten reihen sich Zerstörung kultureller und historischer Orte zur Förderung von (Edel-)Metallen neben Vertreibung von Ureinwohnern und flächendeckender Korruption und Bestechung ein. Die Skrupellosigkeit Rio Tintos reicht so weit, dass sogar ein 10-jähriger Bürgerkrieg durch die Geschäfte Rio Tintos in Papua-Neuguinea losgetreten wurde. Rio Tinto sicherte sich die Förderrechte großer Kupfervorkommen auf der Insel Bougainville in Papua-Neuguinea. Mit der Vielzahl an australischen Einwanderer, die in den Minen arbeiten sollten, brach ein fragiles soziales Gefüge auseinander und stürzte das Land in einen Bürgerkrieg. Gepaart mit all den anderen verwerflichen Aktionen, wurde das Unternehmen aber selbst für einen der weltgrößten Fonds, Norges Investment Fund, nicht mehr tragbar und wurde aus dem Portfolio verbannt.

Wenn man also die Aussage „Profit um jeden Preis“ erklärt haben möchte, so liest man sich die Firmengeschichte von Rio Tinto durch. Zu hoffen bleibt, dass sich schnell einiges ändert. Vermutlich wäre auch regulativer Druck hier angebracht, aber dafür ist der Laden scheinbar schon zu groß.

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