(DailyFX.de) Die Zeit des Zauderns und Zögerns bei der Europäischen Zentralbank ist mit dem heutigen Tag und einem geldpolitischen Paukenschlag zu Ende gegangen. Die EZB schöpfte mit ihrem heutigen Zinsentscheid ihre konventionellen Instrumente nahezu vollständig aus. Eine Leitzinssenkung um 10 Basispunkte auf das Rekordtief von 0,15 Prozent lässt kaum Spielraum für weitere Senkungen.
Voller Maßnahmenkatalog hat den Markt überrascht
Die EZB traut sich etwas. Sie sagt der anhaltenden hohen Arbeitslosenquote, den konjunkturellen Risiken und einer langfristig niedrigen Inflation den Kampf an. Mit einer negativen Einlagefazilität entschied sich der EZB-Rat für einen historischen Schritt. Dieser Strafzins soll bewirken, dass endlich Gelder von Geschäftsbanken statt bei EZB geparkt nun für die Kreditvergabe verwendet werden. Mit einem solch vollen Maßnahmenkatalog hat der Devisenmarkt nicht gerechnet, der Euro geriet weiter unter Druck und machte heute vorerst knapp über der Marke von 1,35 US-Dollar halt.
400 Milliarden Euro sollen die Eurozone endlich wieder beleben
Doch nicht nur an den Zinsen wurde heute geschraubt. Eine 400 Milliarden schwere Liquiditätsspritze durch längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LTRO) soll die Kreditvergabe ankurbeln – Laufzeit bis 2018. In der Erwartung, dass verstärkte Investitionen sich auch in der Teuerungsrate widerspiegeln, sind die heute beschlossenen Maßnahmen zudem ein Schritt gegen die niedrige Inflation. Außerdem schwächen sie den Euro, der mit knapp 1,40 US-Dollar Anfang Mai den europäischen Exporteuren das Leben sehr schwer machte. Mit den heute verkündeten Maßnahmen ist davon auszugehen, dass der Euro auch in den kommenden Wochen unter Druck bleiben wird. Die Erwartung an den Leitzinsentscheid war klar ausgerichtet. Doch geldpolitische Lagebeurteilungen sind in der Regel dann besonders effektiv, wenn sie möglichst überraschend verkündet werden. Der EZB-Chef hingegen äußerte sich bereits Anfang Mai sehr eindeutig und löste unmittelbar Spekulationen baldiger expansiver Schritte in den Märkten aus. Von Sparern wird die Zinssenkung nicht begrüßt, doch die Aussicht auf „billigere Kredite“ für Unternehmen ließ den DAX heute erstmals die 10.000 Marke knacken.
Euro weiter unter Druck, DAX langfristig über 10.000 Punkte
Die heute verkündeten Schritte könnten auch nur Teil Eins einer größer angelegten Operation der Notenbanker sein. Schon jetzt gibt es Spekulationen weiterer expansiver Maßnahmen. So ist es durchaus denkbar, dass die EZB im Hintergrund an einem „Quantitative Easing“ ähnlich den Amerikanern arbeitet. Die nächste milliardenschwere Liquiditätsspritze könnte demnach zeitnah folgen. Diese Erwartungen werden für weiteren Druck im EUR/USD sorgen und dem DAX einen komfortablen Anstieg über die 10.000er Marke in den kommenden Wochen ermöglichen. Diesen historischen Sprung, wenn auch vorerst nicht nachhaltig, vollzog der DAX heute ebenfalls.
Analyse geschrieben von Niall Delventhal, Marktanalyst von DailyFX.de