Ob in der Politik oder an der Börse – stupid german money wird in den letzten Jahren immer mehr durch simple deutsche Naivität ersetzt. Freundliches Auftreten allein garantiert keinen Erfolg, im Gegenteil.
Freundlicher im Ton und angenehmer im Auftreten als Robert Habeck kann man kaum sein. Das veranlasste die Deutschen ihn vor nicht einmal drei Jahren zum beliebtesten Politiker zu küren. Nicht weit entfernt rangierte damals seine Parteikollegin Annalena Baerbock, die mittlerweile im Außenministerium nicht nur eine lange Fehlerkette vorzuweisen hat, sondern bei ihren Zielen auch wenig zimperlich ist und keinesfalls übervorsichtig agiert. Auch Habeck zeigte bei allem freundlichen Auftreten, dass er für grüne Dogmen über ökonomische Leichen geht. Abzulesen ist dies sehr gut daran, dass der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland auf einem Level von 40 verharrt. Unter 50 spricht man von Schrumpfung und in diesem Bereich ist Deutschland somit seit eineinhalb Jahren in einer dicken Rezession.
Wer also in Sachen Wirtschaftspolitik und auch im Äußeren geglaubt hat, Freundlichkeit und nettes Auftreten würden Erfolg garantieren, irrt gewaltig. Der bayrische Wirtschaftsminister mag daherkommen wie ein unbeholfener Einsiedler, die nackten Fakten sprechen dort jedoch dafür, dass hinter den Kulissen einige gute Entscheidungen getroffen wurden. An der Börse neigen deutsche Anleger auch dazu, Vorstandsvorsitzenden mit netter Erscheinung und freundlichem Auftreten Vertrauen zu gewähren. Kasper Rorstedt bei Adidas kam als netter und verbindlicher Typ vom DAX-Konkurrenten Henkel (ETR:HNKG_p) zu den Franken und man gewährte ihm Vertrauensvorschuss dabei, mit seiner ruhigen Art erfolgreich zu sein.
Nach wenigen Jahren war die Bilanz desaströs und der Adidas-Kurs ebenso wie das Wachstum gegen die Wand gefahren – nettes Auftreten hin oder her. Im Gegenteil kriegte Rorstedt eine Affäre um den Rapper Kanye West nicht in den Griff und versagte im Krisenmanagement. „Als Bilanz der Adidas-Aktie (ETR:ADSGN) in den letzten Jahren bleibt ein Absturz von 335 auf zwischenzeitlich 100 Euro und damit eine Drittelung des Marktwerts auf nur noch 20 Milliarden Euro“, rechnet Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets vor.
Freundlich und erfolglos
Das Paradebeispiel für den vermeintlich netten und gut meinenden CEO aus deutschen Landen ist jedoch Werner Baumann, ehemaliger Boss des Bayer-Konzerns. Er drückte eine vorbereitete Übernahme des umstrittenen US-Saatgutriesen Monsanto (NYSE:MON) durch. Selbst jeder drittklassig informierte Marktteilnehmer konnte sich damals ausmalen, dass versierte US-Anwälte nur auf den Tag X warten würden, um Bayer (ETR:BAYGN) mit Klagen zu überziehen, die Monsanto ans Bein gebunden hatte. Baumann erklärte in seiner ruhigen Art jedoch stetig, wie sinnvoll die Übernahme des US-Konkurrenten gewesen sein sollte. „Eine Notwendigkeit im hart umkämpften Sektor sollte es sein“, so Analyst Molnar. Baumann versprach dabei über Jahre, dass man nur warten müsse, bis sein strategischer Schachzug mit Monsanto Früchte trüge. Falls er dies selbst glaubte, war er über alle Maßen naiv. Falls er es nicht glaubte, war er abgezockt und dreist seinen Aktionären gegenüber.
Ist der Ruf erst ruiniert
Denn in Wirklichkeit war es ein Himmelfahrtskommando seitens Bayer, das den ehemals stolzen Konzern aus Leverkusen zu einem Spielball von Klägern machte. Baumann ruinierte nicht nur den Ruf der Rheinländer, sondern zementierte den Börsenwert auch auf Jahre im Bereich unter 50 Euro. „Aus einem Konzern mit weit mehr als 120 Milliarden Wert wurde ein Unternehmen, das nur noch 45 Milliarden auf die Waage bringt“, so Salah Eddine-Bouhmidi vom Broker IG. Seit dem Jahr 2016 planierte Baumann nicht nur Werte, sondern auch die Firmenkultur. Obendrein zeigt ein Konkurrent wie Novo Nordisk (NYSE:NVO) wie gutes Management geht. Im Zeitraum, in dem Baumann bei Bayer mehr als 80 Milliarden vernichtete legte Novo Nordisk über 200 Milliarden zu. Deutsche Anleger sind bedauerlicherweise bei Adidas oder Bayer deutlich stärker investiert als bei Erfolgsfirmen wie Novo Nordisk, eben weil sie auf den ersten Blick freundlich verkauften Geschichten oft glauben wollen. Bayer liegt beim Broker Consorsbank immerhin unter den 15 meist gehandelten Aktien, weit vor Erfolgsgeschichten wie Google (NASDAQ:GOOGL), Meta (NASDAQ:META) oder McDonalds (NYSE:MCD).
Nett? Gewieft!
Dass der nette Schein bei Baumann womöglich doppelt trügt, erahnt man nicht nur beim Addieren seiner Gehälter und Boni der vergangenen Jahre bei Bayer. Man könnte es auch bei der Wahl seines neuen Arbeitgebers merken. Denn ab Oktober sitzt Baumann beim US-Pharmagroßhändler AmerisourceBergen (NYSE:COR) im Verwaltungsrat. Ende 2022 beschuldigte das US-Justizministerium den neuen Arbeitgeber, einen guten Teil zur großen Opiodkrise beigetragen zu haben, da man unkontrolliert starke Schmerzmittel vertrieben haben soll. In Politik und Wirtschaft gilt gleichermaßen – abgerechnet wird am Ende.