(DailyFX.de) Die EZB könnte am heutigen Tag die Marktteilnehmer überraschen. Seit Anfang Mai geriet der EUR/USD verstärkt unter Druck. Angestoßen wurde dieser Druck durch explizite Äußerungen des EZB-Chefs nach der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung, dass bereits im Juni gehandelt werden könnte. In den darauf folgenden Wochen verdichteten sich diese Andeutungen nicht nur durch konjunkturelle Entwicklungen sondern auch durch weitere Andeutungen einzelner EZB-Entscheidungsträger.
Die EZB könnte ihren Worten nun Taten folgen lassen.
Ich rechne damit, dass die EZB heute Maßnahmen ergreifen wird, um gegen die anhaltende hohe Arbeitslosenquote, konjunkturelle Risiken und eine langfristig niedrige Inflation vorzugehen.
Vorstellbare Szenarien
Hauptrefinanzierungssatz: Ein Senken von 10 – 15 Basispunkten ist für die heutige Entscheidung als wahrscheinlich einzustufen. Zurzeit notiert der Zins bereits auf dem Rekordtief von 0,25%
Einlagefazilität: Sollte diese heute angerüht werden, würde durch die negative Einlagefazilität ein „Strafzins“ für die Banken aufgesetzt werden. Aus meiner Sicht ebenfalls ein durchaus vorstellbares Szenario.
Längerfristige Refanzierungsgeschäfte: Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, ein Programm, welches EZB-Chef Mario Draghi selbst „Dicke Bertha“ taufte, würden zudem gezielt gegen die schleppende Kreditvergaben steuern. Diese Maßnahmen könnten „Überraschungspotenzial“ für den EUR/USD und auch den DAX besitzen.
Womit rechnen die Marktteilnehmer?
Im Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage wären wohl die unerwarteten Szenarien die volatilsten. Eine EUR/USD Überraschungsrallye wäre denkbar, sollte die EZB nicht wie erwartet sich expansiven Maßnahmen bedienen. Der Kurs des EUR/USD könnte der Mai-Schwäche deutlicher entgegentreten und der DAX schwach auf diese Verkündung reagieren.
Ebenfalls womöglich nicht eingepreist wäre die Liquititätspritze für Banken im gleichen Zuge mit dem Senken der Zinsen. Hier erwarte ich eine bearishe Reaktion im EUR/USD. Für den DAX wäre dieses expansive Mittel ein positive Nachricht. „Billigere Kredite“ für Unternehmen könnten das Vertrauen der Anleger in deutsche Unternehmen anziehen lassen.
Die Kursreaktionen auf ein bloßen Senken der Zinsen hingegen könnten ohne größere Impulse verlaufen. Die Kursreaktionen werden zweifelsohne aufzeigen, inwiefern damit gerechnet wurde. Aus meiner Sicht wäre die Tendenz für den EUR/USD auch hier tendenziell weiter bearish einzuschätzen.
Letzten Markit Einkaufsmanagerindizes
Die Finaldaten des Markit Einkaufsmanager Index bestätigten gestern eine positive Entwicklung in der Eurozone. Zwar fielen die Composite Einkaufsmanagerindizes für Deutschland und auch Spanien auf ein2-Monatstief. Auch der Compositive Einkaufsmanagerindex der Eurozone gab von 54 auf 53,5 im Mai nach. Doch dicht am 3-Jahreshoch bliebt der Index auch trotz des Rückgangs. Zudem markierte der Index den elften Monat über der wichtigen Wachstumsschwelle von 50. Die PMI-Daten deuten auf das stärkste Quartalswachstum in der Eurozone seit 3-Jahren.
Gerade die Entwicklung in der südlichen Periphere lässt sich als positiv einfangen, so notiert Spanien Wachstumsrate weiterhin nahe des 7-Jahreshochs. Der Beschäftigungsaufaufbau setzte sich in der Eurozone fort. Die Einstellungsrate in der Eurozone ist die höchste seit September 2011.
Sentiment
Die letzten Sentimentbetrachtungen deuteten auf ein weitere potenzielle Schwäche der Gemeinschaftswährung. Die Großinvestoren verschärften am Terminmarkt ihre Short-Position und auch im täglich aktualisierten Retail-Sentiment des Brokers FXCM ist durch den zu erwartenden Seitenwechsel der Händler eine eher bearishe Tendenz für den EUR/USD abzulesen.
Ausblick
Vor der EZB Entscheidung konsolidiert der Kurs unterhalb der 200-Tage-Linie (aktuell auf der 1,3642). Auch die letzte Erholungsbewegung versagte wieder an diesem Widerstand. Der letzte Woche gesehene Tagesschlusskurs unterhalb lässt sich bearish werten. Der Boden der letzten Tage liegt im Bereich der 1,3587. Ein Bruch der Unterstützungsregion von 1,3587/1,357 könnte auf die 1,35 zielen.
Mit dem Druck expansiver Schritte der EZB im Nacken bleibt der EUR/USD anfällig. Der heutige Tag wird für den weiteren Verlauf eine wichtige Rolle spielen.
Eine Erholung und Anstieg über die 1,368 zielt auf 1,373 ab. Oberhalb der 1,38 würde der Schwächeausblick durch den Rücklauf in die Schiebezone der Vorwochen deutlich verblassen.
Chart erstellt mit FXCM Trading Station
Analyse geschrieben von Niall Delventhal, Marktanalyst von DailyFX.de