Das Defizit der öffentlichen Haushalte europäischer Staaten konnte im Jahr 2013 im Vergleich zu 2012 verringert werden, während sich der Stand der Schulden weiter erhöht hat.
Öffentliches Haushaltsdefizit sinkt, Schuldenstand steigt
Wie Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Union, gestern mitteilte, ist das Haushaltsdefizit im Euroraum von 3,6% im Jahr 2012 auf 2,9% im Jahr 2013 und in der EU von 4,2% auf 3,2% gesunken. Der Schuldenstand stieg gemessen am BIP im Euroraum von 89,0% (Ende 2012) auf 90,9% (Ende 2013) und in der EU von 83,5% auf 85,4%.
Es sind noch viele Hausaufgaben zu erledigen
Damit zeigt sich, dass die leicht verbesserte Haushaltsdisziplin zwar dazu geführt hat, dass es insgesamt betrachtet beim Schuldenmachen zumindest in Richtung der Maastricht-Kriterien geht, bei der Gesamtverschuldung aber noch viele Hausarbeiten zu erledigen sind.
Der Vertrag von Maastricht, der am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde, sieht für das Kriterium der Haushaltsstabilität eigentlich eine jährliche Defizitquote unter 3% und eine Schuldenstandsquote von unter 60% des BIP vor. Entsprechend lässt sich festhalten, dass die Staatsschuldenkrise in Europa, auch wenn sie in den Medien inzwischen kaum noch eine Rolle spielt, noch längst nicht vorbei ist.
Altbekannte Sünder
Zumal die größten Sünder beim Staatsdefizit immer noch die altbekannten waren:
- Griechenland: -12,2%
- Spanien: -6,8%
- Zypern: -4,9%
- Portugal: -4,9%
Nicht zu verachten sind aber auch das Vereinigte Königreich (-5,8%), Slowenien (-14,6%), Irland (-5,7%), Kroatien (-5,2%) und Frankreich (-4,1%).
Gleichzeitig verzeichneten Griechenland (174,9%), Zypern (102,2%) und Portugal (128,0%) neben hohen Defizitquoten auch noch, zusammen mit Italien (127,9%) und Irland (123,3%), die höchste Staatsverschuldung gemessen am BIP.
(Eurostat veröffentlichte übrigens zum ersten Mal Daten zum Defizit und Schuldenstand für die Jahre 2010 bis 2013 auf Grundlage der Methodik des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010, die Revisionen auf Grund der Einführung des ESVG 2010 sowie der Einbeziehung anderer statistischer Anpassungen enthalten.)
Manipulierte Märkte
Dass die Staatsschuldenkrise derzeit aus den Köpfen vieler Anleger verschwunden ist, liegt an der Manipulation der Märkte durch die EZB. Sie hat mit ihrer Geldpolitik unter anderem bewirkt, dass die Renditen der Staatsanleihen in Europa zum Teil auf Rekordtiefs gesunken sind (siehe Grafik) und sich die hochverschuldeten Staaten daher aktuell wieder mehr oder weniger problemlos refinanzieren können.
(Quelle: Markt-Daten) Rendite europäischer Staatsanleihen
Die Krise kann uns sehr schnell wieder einholen – ein Beispiel
Doch wie schnell uns die Krise wieder einholen kann, zeigte sich in der vergangenen Woche. Am Donnerstag gab es heftige Turbulenzen an den Börsen- und Anleihemärkten. Während die Renditen für zehnjährige Anleihen aus den am meisten verschuldeten Euro-Ländern in die Höhe schnellten, war Griechenland mit einem Zinsanstieg auf 7,85% am stärksten betroffen. Der Rendite- Anstieg erreichte in der Spitze etwa 110 Basispunkte in Griechenland. Der Aktienmarkt in Athen verlor im Laufe des Tages zeitweise mehr als 10%.
Bilanzsumme der EZB wird wieder massiv ausgeweitet
Die EZB wird über einen langen Zeitraum (mehrere Jahre) noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um die Probleme der Staatsfinanzen in die Zukunft zu verschieben bzw. den Staaten Zeit zu verschaffen, ihre Haushalte in den Griff zu bekommen.
Die Bilanzsumme der EZB ist seit ihrem Gipfel Mitte des Jahres 2012 gesunken, und zwar um eine Billion Euro (oder 35%). Im Laufe dieser Zeit hat sich die Bilanzsumme der US-Notenbank Fed um 1,5 Billionen US-Dollar (oder 54%) und die der Bank of Japan um 129 Billionen Yen (oder 90%) erhöht.
Die Bilanz der EZB ist jetzt die niedrigste aller großen Zentralbanken, wenn man sie als Prozentsatz des BIP vergleicht. Dies will und wird die EZB in den kommenden Monaten ändern. Ob am Ende die Schuldenkrise überstanden sein wird, darf bezweifelt werden.
Sparzwang vs. Investitionsdruck
Zumal die Staaten in einer Zwickmühle stecken. Einerseits besteht aufgrund der bereits vorhandenen Verschuldung der Zwang zu Reformen und weiteren Sparmaßnahmen, andererseits kommt die Wirtschaft Europas nicht in Gang und bedarf eigentlich größerer Investitionen, auch seitens der Staaten. Solange der Wirtschaftsmotor also stottert oder gar droht abzusaufen, müssen die Staaten mehr Geld in die Hand nehmen. Das Ende der Schuldenkrise wird also noch Jahre auf sich warten lassen, falls es bis dahin nicht zur Eskalation der Krise kommt.
Bis zum bitteren Ende sind noch hohe Gewinne an den Börsen möglich
Da kommt noch etwas Großes auf uns zu! Bis man sich aber mit Gold und anderen Krisen-Investments auf dieses Szenario vorbereiten sollte, wird noch viel Wasser den Rhein runterlaufen. Und man wird bis dahin am Aktienmarkt noch viel Geld verdienen können – nach der aktuellen Korrektur.
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 22.10.2014)