In den Märkten ist zwar inzwischen wieder mehr Bewegung, dennoch kommen die Aktienindizes angesichts der anhaltenden Seitwärtskonsolidierungen nicht vom Fleck.
Über mangelnden Aufwärtsdrang kann man sich hingegen im Euro nicht beschweren. Allerdings notiert der Kurs aus Sicht einiger Experten inzwischen auf zu hohem Niveau. Der französische Premierminister Manuel Valls drängte kürzlich sogar auf eine Abwertung der Gemeinschaftswährung.
Der Markt hofft auf Staatsanleihekäufe durch die EZB
Angesichts dessen und mit Blick auf die deflationären Gefahren in der Euro-Zone lagen daher die Hoffnungen auf der EZB-Zinssitzung am gestrigen Donnerstag. Viele Marktteilnehmer sehnten sich von der Europäischen Zentralbank (EZB) endlich die Umsetzung der so oft bereits genannten „unkonventionellen Maßnahmen“ herbei.
OECD fordert neue geldpolitische Maßnahmen
Unterstützung erhielten sie dabei von der Industriestaaten-Organisation OECD. Diese legte der EZB kürzlich Geldspritzen für Banken zu extrem günstigen Konditionen nahe. Zudem solle die Notenbank wegen der sehr niedrigen Inflation noch einmal die Leitzinsen senken. Der Leitzins - zu dem sich Geschäftsbanken bei der EZB mit Geld eindecken können - solle von derzeit 0,25% auf 0% gedrückt werden. Banken, die Geld bei der EZB parken, sollten zudem mit einem Strafzins belegt werden.
Forderungen der OECD passen nicht zu der von ihr erwarteten Erholung
Kurioserweise rechnet die OECD allerdings für die Euro-Zone in diesem Jahr mit einer Teuerungsrate von 0,7%, die in 2015 auf 1,1% steigen soll. Und nach zwei Rezessionsjahren in Folge geht die OECD von einem Aufschwung im Euroraum aus, bei dem in diesem Jahr das Bruttoinlandsprodukt um 1,2% und im kommenden um 1,7% wachsen soll.
Bei derartigen Erwartungen ist aber eine weitere Geldspritze der EZB überhaupt nicht notwendig, weil sich demnach keine Deflation abzeichnet und das BIP-Wachstum auch ohne neue Liquiditätsstützen bereits Fahrt aufnimmt. Es war also spannend, wie die EZB die ganze Situation bewertete.
Neue Liquiditätsmaßnahmen könnten die diversen Probleme lösen
Hinter den besagten „unkonventionellen Maßnahmen“ werden Anleihekäufe nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed vermutet. Diese wären durchaus eine Lösung für die oben genannten Probleme (deflationäre Tendenzen) und Forderungen (Euro-Abwertung). So würde ein solcher Beschluss gleichzeitig die Aktienmärkte befeuern, den Eurokurs belasten und die Inflation antreiben bzw. die deflationären Tendenzen bekämpfen.
Klingt also alles nach einer sinnvollen Angelegenheit. Doch leider kann bzw. darf die EZB aus rechtlichen Gründen derzeit gar nicht ohne Einschränkungen zu diesem Mittel greifen.
Ginge das OMT-Programm über die Befugnisse der EZB hinaus?
Nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Beispiel geht der Beschluss des EZB-Rats vom September 2012 zum möglichen Kauf von Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedsländer der Eurozone in unbegrenzter Höhe am Sekundärmarkt („OMT-Programm“, OMT steht für Outright Monetary Transactions) nämlich über die Befugnisse der EZB hinaus.
Der OMT-Beschluss verstößt nach Meinung der Richter gegen das währungspolitische Mandat der Notenbank und stellt eine eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme dar. Diese Kompetenz obliegt jedoch nicht der EZB, sondern befindet sich im Verantwortungsbereich der Mitgliedsstaaten.
Gleichzeitig widerspricht das OMT-Programm laut BVerfG dem in den Europäischen Verträgen festgelegten Verbot einer monetären Haushaltsfinanzierung und nimmt Züge eines Finanzausgleichs an, was so in den Verträgen nicht vorgesehen ist.
Durch eine eingeschränkte Auslegung zur Konformität mit europäischen Verträgen
Nach Ansicht des BVerfG kann eine Konformität mit den Verträgen nur erreicht werden, wenn
- ein Schuldenschnitt ausgeschlossen wird,
- auf einen unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen einzelner Mitgliedsstaaten verzichtet wird und
- mögliche Eingriffe in die Preisbildung am Markt bestmöglich vermieden werden.
Nur wenn diese drei Bedingungen erfüllt werden, könnte es sein, dass der OMT-Beschluss durch die damit einschränkende Auslegung mit europäischem Primärrecht in Einklang gebracht werden kann.
Warten auf die Antworten des Europäischen Gerichtshofs
Das BVerfG hat dies allerdings nicht abschließend so entschieden, sondern die Sache bereits am 7. Februar an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen, weil durch den EZB-Ratsbeschluss die Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten der Eurozone verletzt werden und deshalb die letztendliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des OMT-Programms bei den europäischen Richtern liegt. Sollten diese der Argumentation des BVerfG folgen, müssten die vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen aufgehoben werden.
Hat die EZB deshalb mit der Umsetzung noch nicht begonnen?
Vermutlich ist der ausstehende Rechtsentscheid des EuGH auch der Grund, warum die EZB das von ihr bereits beschlossene OMT-Programm noch nicht aktiviert bzw. genutzt hat. Wahrscheinlich wird die EZB solange von einem Staatsanleihen-Kauf absehen, bis vom EuGH Antworten vorliegen. Und je nach Art der Antwort, könnte es sein, dass das Programm sogar nie zum Einsatz kommt.
Entsprechend sind die aktuellen Hoffnungen des Marktes, dass mit „unkonventionellen Maßnahmen“ Staatsanleihekäufe gemeint sind, aus unserer Sicht vergebens.
Mit verbalen Interventionen wurde das Ziel bereits erreicht
Immerhin hat es EZB-Präsident Mario Draghi auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise im September 2012 aber alleine mit der Ankündigung des Programms schon geschafft, die Märkte zu beruhigen.
Ursprünglich war es die Absicht der EZB, die Zinsaufschläge der Märkte bei den Staatspapieren bedrängter Länder mithilfe des OMT-Programms zu neutralisieren. Da die Zinsen in Europa längst auf einem für die Euro-Staaten erträglichen Niveau angekommen sind, ist das Ziel des OMT-Programms längst erreicht.
Den relativ hohen Euro-Wechselkurs sowie die deflationären Tendenzen kann man auch mit anderen Mitteln bekämpfen. Ein tatsächlicher Ankauf von Staatsanleihen ist daher gar nicht mehr zwingend notwendig.
Fazit
Das Bundesverfassungsgericht hat sich einerseits für nicht zuständig erklärt, andererseits aber klar gesagt, dass das OMT-Programm in seiner jetzigen Form gegen EU-Recht verstößt. Dazu hat es der EZB aber netterweise einen Vorschlag gemacht, wie man die Rechtskonformität herstellen könnte - nämlich mit Beschränkungen.
Die EZB bräuchte daher nur dem Rat des BVerfG folgen und reines „Quantitative Easing“ über den breiten Kauf von Staatsanleihen betreiben. Dies läge innerhalb des EZB-Mandats, weil auf den laut BVerfG verbotenen selektiven Kauf von Staatsanleihen einzelner Mitgliedsstaaten verzichtet würde.
Dennoch ist es für die EZB sehr riskant, die Anleihekäufe in einem laufenden rechtlichen Verfahren umzusetzen. Wie von uns erwartet und unseren Lesern im kostenlosen Newsletter „Geldanlage-Brief“ im Vorfeld der EZB-Sitzung mitgeteilt hat die EZB daher den Märkten wie bisher lediglich damit „gedroht“, es aber bei dieser Verbalintervention belassen.
Und durch die Ankündigung, im Juni Maßnahmen zu ergreifen, sollte der Euro dann auf einem zu hohen Niveau notieren, hat sich das Problem bereits kurzfristig erledigt. Der Wechselkurs ist deutlich gesunken und damit wäre die Grundlage für die angekündigten Maßnahmen im Juni weggefallen.
Die Bedeutung von OMT sollte man im jetzigen Stadium der Krise nicht überbewerten. Zumal der EZB andere, bereits erfolgreich eingesetzte Instrumente wie Langfristtender zur Verfügung stehen. Und bislang haben die verbalen Interventionen stets zu dem Effekt, dass die tatsächliche Ausweitung der expansiven Geldpolitik nicht mehr notwendig war.
Ich wünsche auch Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus