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EZB-Vorschau: Ein weiterer Drahtseilakt für Draghi als die Konjunktur einknickt

Veröffentlicht am 04.03.2019, 11:24
Aktualisiert 09.07.2023, 12:32
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Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht in dieser Woche einer Nervenprobe entgegen, als der geldpolitische Ausschuss zum zweiten Mal in diesem Jahr tagt.

Bankpräsident Mario Draghi und sein Team versuchen eine Zeit außerordentlich lockerer Geldpolitik hinter sich zu lassen, die notwendig war, um das Projekt einer gemeinsamen Währung in den letzten 10 Jahren am Leben zu halten. Aber die EZB steht nun unter Druck, etwas zu tun, um das lahmende Wachstum wiederzubeleben.

Die Volkswirtschaften Deutschlands und Italiens—die über 40% des BIPs der Eurozone ausmachen—stagnieren. Die Schwäche des deutschen Exportmotors, der Lichtblick der Region für den Großteil des vergangenen Jahrzehnts, ist von besonderer Sorge, angesichts der Fragilität der sonstigen Wachstumsquellen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, eine genau verfolge Messlatte für Zuversicht und Aktivität, erreichte im Februar sein niedrigstes Niveau seit 2014.

“Die EZB wird lavieren müssen, zwischen Vorbeugung, was als Panik wahrgenommen werden könnte und einer entspannten Wartehaltung, die als selbstgefällig interpretiert werden würde,” meint ING-Analyst Carsten Brzeski.

In den jüngsten Entwicklungen gab es aber ausreichend Hoffnungsschimmer, um vermuten zu können, dass der schlimmste Fall für die Konjunktur doch nicht eintreten wird. Erstens ist die Bedrohung durch das Chaos eines ‘no-deal’ Brexits—der einen große Rolle beim scharfen Fall des Geschäftsklimas im Euroraum gespielt hatte—verblasst, als beide der großen Parteien im Vereinigten Königreich sich in ihrer Haltung ins politische Zentrum bewegt haben, was eher den Vorlieben der Geschäftswelt entspricht.

Zweitens ebbt auch das Risiko einer Eskalation des Handelskriegs der USA mit China ab, als das Wall Street Journal am Wochenende berichtete, dass die beiden Seiten sich auf eine Einigung zubewegten, die in geringeren bilateralen Zöllen und verbessertem Zugang der USA zum chinesischen Markt resultieren würde.

Und doch, im Protokoll der Bank von der letzten Ausschusssitzung wurden einige Notenbanker zitiert, dass sie es als eine “dringliche” Priorität ansehen, neue Kreditlinien vorzubereiten.

EURUSD Weekly

Verschiedene Bankvertreter haben als die wahrscheinlichste Aktion eine neue Runde von Langzeitkrediten an Banken ausgemacht, die als langfristige Refinanzierungsmaßnahmen (long-term refinancing operations oder LTROs) bekannt sind, die die tiefen Zinssätze festschreiben und damit sicherstellen, dass ausreichend überschüssige Liquidität vorhanden ist, um einen Anstieg des Euros an den Devisenmärkten zu verhindern. Ob sie nun ‘gezielt’ sein werden, d.h. an die Kreditvergabeaktivität der Banken gebunden sind, wie die, die sie ersetzen, ist unklar (Brzeski von ING sagt, das spiele eh keine Rolle).

Aber die EZB könnte sich in dieser Woche durchaus selbst darauf beschränken, nur die Basis für ein solches Programm vorzubereiten, statt tatsächlich den Schalter umzulegen, meinten von Bloomberg befragte Ökonomen. Analysten von Nordea Markets sagen, die Einzelheiten künftiger LTRO werden davon Abhängen, was für ein Signal die EZB aussenden will. Sie könnte die Marktzinsen für bis zu vier Jahren verankern, indem sie neue Kredite zu einer festen Rate anbietet oder sie könnte die Tür offenlassen für eine frühere Straffung der Geldpolitik, indem sie die neuen Kreditlinien an ihren Leitzinssatz koppelt, der seit 2016 auf 0% liegt.

Geht man von der Vergangenheit aus, dann ist letzteres wahrscheinlicher, da ein solcher Ansatz der Bank die Hände nicht so fest bindet. Dies ist auch deswegen von Bedeutung, da die Bank im November einen neuen Präsidenten bekommt.

Der deutsche Bundesbankchef Jens Weidmann versucht, jegliche unangemessene Großzügigkeit im Keim zu ersticken. Auf einer Pressekonferenz der letzten Woche sagte er Dow Jones zufolge, dass ein fester Zinssatz die Geldpolitik behindern könnte, während eine lange Laufzeit den Richtungsausblick der Bank unklar machen könnte, das wichtigste geldpolitische Instrument, das der Bank geblieben ist, jetzt, da sie ihre Nettowertpapierkäufe gestoppt hat.

“Die EZB ist wahrscheinlich nicht bereit die Bedingungen ihrer neuen Liquidität derart attraktiv zu machen, dass sie zu einem tatsächlichen Liquiditätsüberschuss führen würden,” sagte Nordeas Jan van Gerich. Aus diesem Grund finden es er und seine Kollegen es schwer, sich “einen viel schwächeren Euro auszumalen” wenn die EZB zu guter Letzt zur Tat schreiten wird.

Teil der Zurückhaltung liegt in der hohen Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Nachfrage nach neuen LTRO vor allem von spanischen und italienischen Banken kommen wird. Das bringt wieder einmal unschöne Wahrheiten über ihre Lebenschancen ohne den Tropf der EZB ans Tageslicht—sechs Jahre nach den schlimmsten Tagen der Eurokrise und vier Jahre, nachdem die EZB die Spitzenbehörde zur Bankaufsicht geworden war. Moody’s Investor Service berechnet, dass EZB-Gelder 6% der Wertanlagen spanischer und italienischer Banken finanzieren.

Regulierungen, die als Teil des sogenannten Basel III Abkommens nach der Finanzkrise von 2008 vereinbart wurden, fordern von den Banken, minimale Mittel mit einer Laufzeit von über 12 Monaten vorzuhalten, die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR). Als die verbleibende Laufzeit der EZB-LTROs in diesem Jahr noch unter 12 Monate fallen wird, werden die Banken sie nicht mehr länger als Teil ihrer NSFR-Deckung zählen können.

“Die Frage, ob Institute ihre Regulierungsverpflichtungen einhalten, sollte bei unseren geldpolitischen Entscheidungen keine Rolle spielen,” sagte Weidmann. Sein französischer Kollege Francois Villeroy de Galhau hat sich sehr ähnlich geäußert.

Widerstände von diesen beiden allein werden wahrscheinlich ausreichen, um in dieser Woche entscheidende Schritte zu vereiteln. Als Ergebnis wird es wieder einmal Herrn Draghis Kommunikationstalent überlassen bleiben, die Märkte davon zu überzeugen, dass die EZB es mit der Unterstützung des Wachstums ernst meint, während sie nichts tut. Weniger als dies könnte einen neuerlichen Ausverkauf von spanischen und italienischen Bankschulden und Aktien lostreten und höhere Zinsdifferenzen—die “unbegründete Verengung” des Kreditumfelds, das die EZB unter allen Umständen vermeiden will.

Es ist ein vertrauter Balanceakt, aber der Eurozone geht rasch die Luft aus, sodass der Einsatz diesmal höher ist, als seit einiger Zeit.

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